Feuerwerk und Hundeelend

Als ein Mensch, der nicht gern Feste feiert, möchte ich trotzdem was zum Feiern sagen dieses Jahr. Weil ich schon wieder überall die Herzschmerzbilder von den lieben Hundis sehe, die so arm sein werden, wenn zu Silvester gefeiert wird.

Also ja, die Hundis sind arm, wenn sie sich erschrecken wegen dem Feuerwerk. Und ja das ist ein Problem. Und ja das kann man thematisieren. Und ja, da wird im Wortsinn Geld in die Luft geblasen und verbrannt und es kann sogar, wenn das Dummköpfe machen, gefährlich sein für Leib und Leben.

Aber wir leben in einer Stadt und da ist es sowieso immer laut. Und ob ein Hund in der Stadt überhaupt „artgerecht“ leben kann, ist für mich noch nicht wissenschaftlich geklärt. Und ob das nicht ganz viel mit dem Egoismus und der Ahnungslosigkeit, der Selbstgefälligkeit und der Ignoranz der Hundebesitzer zu tun hat, wenn sie sich in der Stadt auf engem Raum einen Hund halten, ist auch zu wenig erforscht. Denn da wird gehupt, da wird Auto gefahren, da werden Baustellen betrieben, die einen Höllenlärm machen. Da bleiben Hunde tagsüber allein in der Wohnung, weil die Besitzer arbeiten gehen müssen. Das stresst die Hunde auch alles. Aber dagegen begehrt keiner auf. Dagegen nimmt keiner die Hunde in Schutz. Zumindest sehe ich das in meiner Timeline nie, dass jemand ein Foto von den tausenden Hunden postet, die jedes Jahr überfahren werden auf den Straßen so einer Stadt. Kinder übrigens auch. Aber gegen den überbordenden Individualverkehr darf man nichts sagen. Denn das Auto hält den Betrieb aufrecht, weil es Menschen in die Arbeit bringt.

Was offenbar auch erträglich ist, ist eine Stadt voller Betrunkener, die sich aggressiv durch die Gassen schieben und überall ihren Müll hinterlassen, herumschreien und pöbeln und sicherlich auch die Hunde stressen. Und was auch sein darf ist das deppade Saufen und das private Böllern. Weil das kann man irgendwie trotz Polizeiverbot nicht ganz verhindern. Und auch das deppade Bleigießen, dieser in Wasser gegossene Aberglaube, steht nicht zur Debatte. Und das Bleigießen geht ja nicht einmal mehr, weil auch das irgendwie noch zu martialisch ist, jetzt gießt man Wachs. Und Partyhüte sind auch wichtig und so Partytröten und Girlanden und Konfetti und Tischbomben und der ganze Tand, was einen Berg von Müll produziert und bis ins Detail vollkommen unnötig ist.

Das darf alles sein. Nur was nicht mehr sein soll, ist eigentlich das einzige Interessante am Ganzen: Das Feuerwerk. Die ersten „Lust- oder Kunstfeuerwerke“ gab es wahrscheinlich in China während der Song-Dynastie (960–1270) und bereits damals ging es um den freien Ausdruck von Lust und Freude am Leben. Im Feuerwerk wir einmal im Jahr nicht nutzenoptimiert gehandelt. Es ist Zeichen eines freien Willens, ein Fest der Verschwendung, in dem ein Bewusstsein für die Vergänglichkeit enthalten ist. Und es ist gerade, weil es nicht alltäglich ist, eine sehr notwendige Abwechslung zum kapitalistischen Zapfenstreich, der besonders im Winter die Straßen leerfegt. In einer Zeit also, in der man im Dunkeln in die Arbeit fährt und im Dunkeln wieder zurückkommt aus der Arbeit.

Die einen machen es mit dem Vorwurf der Geldverschwendung. Er folgt der „protestantischen Ethik“ im Sinne von Max Weber und wird meist von den lustfeindlichen Elementen der Gesellschaft erhoben, die Luxus sowieso ablehnen. Der tägliche Lärm-, Stress- und Arbeitswahnsinn ist zu akzeptieren. Der einmal im Jahr stattfindende Ausbruch daraus wird dagegen verdammt und mit den Mitteln spießbürgerlicher Mitleids- und Moralapostelei bekämpft. Und das auf den Schultern von Tieren, die von Anfang an in der Großstadt nicht gut aufgehoben sind. Aber das scheint niemanden zu kümmern. Denn wo sind die Projekte, um das Leben in der Stadt lebenswerter zu machen? Wo sind zumindest die Postings, die auf das Schicksal der Hunde auf unseren hundefeindlichen Straßen verweisen?

Theodor W. Adorno schreibt in der ästhetischen Theorie sehr treffend: „Was im Kern der Ökonomie sich zuträgt, Konzentration und Zentralisation, die das Zerstreute an sich reißt und selbständige Existenzen einzig für die Berufsstatistik übrigläßt, das wirkt bis ins feinste geistige Geäder hinein, oft ohne daß die Vermittlungen zu erkennen wären. Die verlogene Personalisierung in der Politik, das Geschwafel vom Menschen in der Unmenschlichkeit sind der objektiven Pseudo-Individualisierung adäquat[;]“

Das Geschwafel vom armen Hundi in der Großstadt bleibt so lange ein verlogenes Geschwafel, wie sich Lebensbedingungen der Tiere nicht grundlegend verbessern. Das wäre nur zu erreichen, indem der Autoverkehr radikal zurückgedrängt wird. Daran ändert dann auch der eine Tag nichts, an dem man mit Hinweis auf die Hundis allen anderen Menschen den Spaß verdirbt. Das scheinbare Mitleid mit den Tieren ist in Wahrheit der Reflex gegen die Möglichkeit des Ausbrechens aus einer Wirklichkeit, die schlecht eingerichtet ist und die zu ändern schwer wäre. So schwer, dass man lieber an die Alternativen nicht erinnert wird und es somit dabei belässt das anzugreifen, was man sich gerade noch leisten zu können glaubt, ohne den sonstigen Betrieb aufzuhalten: den Spaß. Ganz ähnlich, wie in der Zeit als Bars, Museen, Theater, Kinos, Parks und Sporteinrichtungen im Namen der Gesundheit gesperrt waren und zugleich alle U-Bahnen am Arbeitsweg gerammelt voll und die Großraumbüros für jeden geöffnet. Der Betrieb muss weitergehen, der Spaß kann auf der Strecke bleiben. Aus ihm entsteht kein Profit.