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Stefan: Die Gewalt in den Foren gehört als Vorbereitungsritual zum Mord mittlerweile dazu. Viele Medien spielen dabei mit. Nach dem Tod von Modell Kasia Lenhardt, die nach ihrer Trennung von einem Fußballer stark unter Onlinehetze gelitten hat, titelt ein online Schmierblatt „Ex-Freundin von Jérome Boateng“ um dann erst damit rauszurücken, dass die 25 jährige gerade unter schlimmen Umständen verstorben ist.
Ela: Das ist ja auch interessant. Sie macht öffentlich, dass er sie verdroschen hat, darauf patzt er sie an und liefert sie dem Mob aus. Sie begeht Selbstmord. Jetzt findet man auf ihrem Körper Spuren von Misshandlung und leitet ein Verfahren gegen ihn ein. Das Beste ist aber, das war nicht der erste Vorwurf gegen ihn wegen Körperverletzung. Es gab schon einmal ein Verfahren, da ging es aber um eine andere Frau. Jedenfalls: Wie läuft die Diskussion? Man möchte die Vorwürfe mit Geldmacherei abtun. Man soll doch den armen Boateng endlich in Ruhe lassen, das Goldkind. Aber was bei ihr falsch lief, darf man sich schon fragen, weil schließlich hat sie sich am Geburtstag ihres Sohnes umgebracht.
Stefan: Die Frau als Anhängsel des Mannes. Ihr Tod dargestellt wie ein in Kauf zu nehmendes (natürliches) Ergebnis der Trennung. Mir ist bewusst, dass diese Analogie sehr subtil ist und manchen nicht überzeugen wird. Aber es ist ein Faktum, dass der Onlinehetze gegen Frauen massenweise Gewalt im echten Leben folgt. Und es ist ein Faktum, dass Behörden dieses Problem ignorieren. Ich kenne persönlich mehrere Fälle in denen Frauen gestalked, bedroht und verfolgt wurden und die Polizei sie mit der Auskunft alleine gelassen hat, dass sie erst handeln kann, wenn etwas passiert ist.
Ela: Es ist ja nicht so, dass dann, wenn was passiert, die Polizei sich ermittlungstechnisch besonders positiv hervortut.
Stefan: Das fängt damit an, dass die Gewalt im digitalen Raum und die analogen Taten zwar oft zusammen gehören, aber von polizeilicher Ermittlung jeweils getrennt analysiert und ermittelt werden. Dabei sind bereits sehr viele Fälle dokumentiert in denen Frauen zuerst jahrelang gestalked und bloßgestellt werden, bevor ihr Verfolger dann zur Tat schreitet. Diese Stalker nützen die digitale Technik und die sozialen Medien um ihren Opfern möglichst nahe zu kommen, sie auszuspionieren, zu manipulieren und letztendlich um sie jederzeit ausfindig zu machen. In Hannover war jetzt ein H&M Mitarbeiter zwei Jahre hinter einer jüngeren Kollegin her mit Trackern und Spyware, bevor er letztlich eine Nacht unter ihrem Bett verbracht hat um sie am nächsten Tag zu ermorden. Das ist eigentlich Stoff für einen Horrorfilm, aber passiert in unterschiedlichen Ausmaßen wahrscheinlich öfter als man glaubt.
Es gibt jedenfalls gesellschaftliche Hintergründe für die Morde an Frauen und diese kann man teilweise ungefiltert auf sozialen Medien mitlesen. Leider nimmt die Gesellschaft sie meistens nicht ernst. Aber auch weil viele der frauenfeindlichen Aussagen die da getätigt werden auf eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz stoßen. Auch bei Frauen.
Ich nehm aus unserem Gespräch mit, dass Männer nicht so blöd geboren werden, wie sie sich durch Nachdenken dann freiwillig machen. Und da fällt mir dann eine besondere Spezies Mann ein, die vor allem online eine gewisse Rolle spielt beim Nachdenken über und Zudecken von Gewaltverhältnissen. Ich nenne sie die linken Kulturmänner. Den Begriff habe ich mir gerade ausgedacht. Aber er basiert schon auf konkreten Beobachtungen. Es geht jetzt nicht um die ur Entdeckung. Es ist vielmehr der Hinweis auf ein Randphänomen des Hodenschaukelns, das viel zu oft unbeachtet bleibt, weils als nicht so wichtig erscheint.
Die linken Kulturmänner sind große Jungs, manche Ende 50 oder älter, die aus unterschiedlichen Gründen seit Jahrzehnten in der Kulturbranche drinnen sind und sich auf ihre Leistungen sehr viel einbilden. Auch wenns nicht immer ganz so berühmt war, was sie gemacht haben. Aber sie haben irgendwie immer am Rand der High Society verbracht. Am Rand des politischen Geschehens. Am Rand der großen Partys. Und in ihrer Neuerzählung mit Ende 50 sind sie plötzlich im Mittelpunkt. Darum sind sie umgeben von Bewunderern und stellen sich den freiwilligen Adoranten als richtig dicke Fische dar. Sie haben alles schon einmal erlebt und teilen ihre Lebenserfahrung mit allen. Sie erklären die Welt und zeigen gerne wen sie alles kennengelernt haben auf ihrem langen Weg. Vor allem belehren sie gerne darüber, wie die Welt wirklich ist und was sie immer schon so gesagt haben in ihrem langen erfüllten beneidenswerten Leben. Am Ende läuft aber jede Statusmeldung darauf hinaus die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen und der Welt zu offenbaren: „Ich habe es schon 1986 gewusst.“
Ela: Lustig, dass du das erwähnst. Ich hatte so einen in meiner Inbox, Künstler, der anscheinend nur schwer damit umgehen konnte, dass ich seinem ständigen Bedürfnis von mir unterhalten zu werden, nicht nachgekommen bin. Das war einer, der wahrscheinlich nur Leute um sich hat, die seine Genialität niemals hinterfragen würden. Seine Frustration darüber, dass er dachte man könne „Menschen konsumieren, wie guten Wein“, doch das sei nur ein „temporärer Genuss“, hat er mir dann natürlich sogleich mitgeteilt. Auf meine Erklärung, dass ich momentan aus persönlichen Gründen kein Interesse an längeren Gesprächen habe, warf er mir Narzissmus vor. Das ist das „Warum antwortest du nicht, du hässliche Fotze?“ der linken Kulturmänner. Ab und zu bekomme ich noch gehässige Nachrichten, ich denk das ist zyklusabhängig.
Das sind halt die Leute die mit 17 schon besoffen Schas geredet haben und das „philosophieren“ genannt haben, und leider hat ihnen nie jemand gesagt, dass es Schas ist, sondern alle sind auf ihren Schas immer total ernsthaft eingegangen und haben sie dadurch erst so richtig bestätigt in ihrem Schas, weil dann waren sie erst recht davon überzeugt, dass sie außergewöhnlich intelligent sein mussten. So haben sie sich in ihre eigenen Gedanken verliebt, dass sie inzwischen gar nicht mehr hinterfragen, ob es Schas sein könnte, weil sie immer bestätigt bekamen, was sie eh schon immer vermutet haben: Dass sie Genies sind. Und dann sagen sie: „Es werde Licht!“ und die Mutter dreht das Licht auf für den Burli.
Da gibt’s diesen Französischen Bildteppich aus dem 16. Jahrhundert, wo eine Frau mit genervten Gesichtsaudruck einen Spiegel für ein Einhorn hält, das sich begeistert betrachtet.
Stefan: Das Einhorn ist Jesus und die Frau ist die Jungfrau Maria.
Ela: Ich glaub das ist eine Referenz auf die Ehe, aber ja vielleicht eh Jesus und Maria, Mutter-Sohn-Beziehung. Die Frau hält den Spiegel für den Mann, der sich begeistert darin betrachtet. Sie bestätigt ihm seine Großartigkeit. Er ist tatsächlich ein Einhorn, ein ganz besonderer Junge.
Stefan: Selbstbewusstsein bedeutet im Kulturmännerjargon, dass sie wild und frei sein wollen. Auch beim Denken. Sie sind Verteidiger der Meinungsfreiheit, der Libertinage, der Gerechtigkeit, des guten Lebens. Über all das wissen sie persönlich Bescheid. Sie haben es ja erlebt. Und dieses lehrreiche Denken erledigen sie daher am liebsten öffentlich und in Form eines lehrreichen Vortrags bei dem alle Felder des Wissens von ihnen so expertenmäßig abgedeckt werden, dass die Stimmen von echten Experten für die jeweiligen Themenbereiche schon eher nur mehr Störgeräusche für sie sind.
Sie machen diese öffentlichen Belehrungen ja für das Wohl aller Menschen. Der ganzen Hascherln für die sie alles durchdenken um ihr Leben nach ihrem Vorbild zu ordnen. Dieses Sendungsbewusstsein steht natürlich dann konträr zum Anspruch des freien Denkens, des antiautoritären Führers der sie so gern sein wollen. Daher sind sie dann dementsprechend auch peinlich berührt und schlagen wild um sich, wenn man sie ebenso öffentlich auf die kleinen Fehler aufmerksam macht, die beim großen Denken so passieren können und in aller Öffentlichkeit schnell sichtbar werden. Da entstehen narzisstische Kränkungen. Daher kontrollieren sie die Zusammensetzung ihres Publikums wie die kleinen Diktatoren die sie eigentlich gerne wären.
Ela: Der Otto Mühl, den du im ersten Teil erwähnt hast, hat das in den 60ern ganz konkret ausgesprochen: „Das Schlachten von Menschen darf nicht Staatsmonopol sein.“
Stefan: Ja sie Konkurrieren eigentlich nur mit Gott und dem Staat in ihrem Anspruch. Manchem großen Verteidiger der Meinungsfreiheit ist die Meinung der anderen plötzlich nichts mehr wert, wenn sie der eigenen entgegensteht. Manchem großen Kritiker des Mainstreams ist die eine Gegenmeinung in seinem persönlichen Mainstream so sehr ein Dorn im Auge, dass er diese sofort und ohne weitere Diskussion aus diesem entfernen muss.
Und oft genug wird beim öffentlichen Hodenschaukeln dann auch noch die Vernunft zugunsten des eigenen Egos ad acta gelegt. Denn wenn man so lebenserfahren, links und männlich ist wie diese Kulturmänner, dann kann man schon mal antifeministische, antisemitische und antiintellektuell Einstellungen pflegen ohne sich dadurch selbst in einem schlechten Licht betrachten zu müssen.
So gibt es Exemplare dieses Kulturmannes die Prostitution ganz super finden, weil Sexarbeit ist Arbeit, eine sehr wertvolle und wichtige Arbeit. Das älteste Gewerbe. Weil Sex darf nicht nur in der Ehe stattfinden. Und wo sollen denn die Männer hingehen, wenn sie Druck haben? Das führt ja sonst nur zur Gewalt, wenn man Frauen nicht mehr für Geld vergewaltigen darf. Und es gibt ja auch diese und jene Prostituierte die sie mal im Kulturmännerfernsehen gesehen haben und die hat persönlich versichert, dass Prostitution vollkommen selbstbestimmt und frei ist und alle Frauen das in Wahrheit gerne machen. Deshalb finden sie es auch Hetze, wenn Freier juristisch belangt werden sollen.
Ela: Brownmiller beschreibt ganz gut: „Mir graut vor reglementierter Prostitution nicht deshalb, weil sie kein Mittel gegen Vergewaltigung ist, sondern weil damit das finanzielle, wenn nicht gar gottgegebene Recht des Mannes auf den Körper einer Frau institutionalisiert und damit die Vorstellung nur fester verankert würde, daß Sex eine Dienstleistung der Frau sei, die keinem zivilisierten Mann verweigert werden sollte.“
Dieses Selbstbild, Libertines, Bohemiens, frei und wild, das kommt ja auch im Pro-Prostitutions-Diskurs nicht zu kurz, das ist eventuell ein Grund, warum das bei der Klientel so beliebt ist. Wie Kajsa Ekis Ekman zeigt in „Being and Being Bought“: Offenheit gegen Zensur, Liberalismus gegen Moralismus, alles mit etwas Gossenromantik, Hurenfetischismus und sexueller Revolution garniert. Antiporno- bzw. Anti-Prostitution werden nicht zufällig mit religiösem Lobbyismus vermischt. Die liberale Marktökonomie macht sich im Zusammenhang mit Prostitution den kartesianischen Dualismus zunutze. Die Trennung von Körper und Geist erfüllt sich in der Sexarbeit. Dissoziation als Business-Modell.
Wichtig ist, zu wissen, dass man eine Prostituierte natürlich nicht vergewaltigen kann. 2005 stellte ein wegen Vergewaltigungen an Prostituierten angeklagter „Gürtel-König“ vor Gericht die Frage „Seit wann kann man a Hur‘ vergewaltigen?“ und der Richter überzeugte durch besondere Kenntnis der Küchenpsychologie, als er davon sprach, dass Prostituierte „wahrscheinlich“ eine „Vergewaltigung (…) leichter weg(stecken)“. Der Staatsanwalt unterbot dieses Theater noch, indem er als mildernden Umstand zugunsten des Angeklagten anführte „Prostituierte werden nicht besonders erniedrigt, wenn sie vergewaltigt werden“. Dass Studien zufolge ca. 60% der Prostituierten an Posttraumatischer Belastungsstörung leiden, tut natürlich nichts zur Sache, denn Justitia ist stets neutral, besonders bei Vergewaltigung. Der Angeklagte bekam übrigens 3 Jahre.
Der Weininger hat die Frauen in zwei Typen eingeteilt: Die Mutter und die Dirne. Seiner Meinung nach ist die Anlage zum „Dirnentum“ bei Frauen von Geburt an fix, ähnlich wie die Eignung zur Mutterschaft. „Die Prostitution kann also keineswegs als etwas betrachtet werden, wohin erst der Mann die Frau gedrängt hat. Oft genug wird sicherlich ein Mann die Schuld tragen, wenn ein Mädchen ihren Dienst verlassen mußte und sich brotlos fand. Daß aber in solchem Falle zu etwas gegriffen werden kann, wie es die Prostitution ist, muß in der Natur des menschlichen Weibes selbst liegen.“
Aber die Einteilung ist auch ein alter Hut. Ebenfalls unter Solon wurden staatliche Bordelle in Athen legalisiert. Man musste ja zwischen guten und schlechten Frauen unterscheiden können. Die guten Frauen waren natürlich Mütter. Ich fand das schon immer ein wenig neurotisch, dieser Wunsch dass eine Frau bestenfalls geschlechtslos zu sein hat, während sie gleichzeitig aber die Mutterrolle zu verkörpern hat. Denn, wie kommt sie denn zu ihren Kindern? Das hat die Kirche ganz gut hingekriegt, die hat die Maria ja zur Heiligen erhoben, die eine ewige Jungfrau war und Fleischeslust nicht einmal vom Hörensagen kannte. Damit hat sie den Frauen ganz gut aufgezeigt, dass sie diese Stufe an Tugendhaftigkeit nie erreichen werden. Die perfekte Frau hat geschlechtslos zu sein und gleichzeitig eine sorgende Mutter. Daraus entsteht dann diese kognitive Dissonanz, die bis heute nicht überwunden ist.
Das haben sie in der Republik Gilead (Handmaid’s Tale) praktisch gelöst. Die Weltbevölkerung muss mit einer nie dagewesenen Unfruchtbarkeit umgehen und an der Ostküste der USA hat eine Junta bestehend aus Mitgliedern der Verschwörungsgruppe „Söhne Jakobs“ nach einem Putsch einen theokratischen Staat gegründet. Dort gibt es Frauen, die nur für die Reproduktion zuständig sind, die Handmaids. In der Bibel blieb Jakobs Ehe mit Rahel kinderlos, daher befahl Rahel Jakob ihr mit der Magd Bilha ein Kind zu zeugen. In einer monatlich stattfindenden Zeremonie, die durch die fruchtbaren Tage der Handmaids festgelegt wird, wohnen die Ehefrauen der Vergewaltigung der Handmaids durch die Commanders (Ehemänner) bei. Während der Commander die Magd vergewaltigt, liegt deren Kopf im Schoß der Ehefrau, die ihr die Hände festhält. Nach der Geburt des Kindes wird dieses von der Mutter getrennt, da es ihr nie „gehörte“. Die Kinder gehen an die Ehefrauen (Wives), unter Obhut des Commanders. Dann gibt’s natürlich noch andere Frauenrollen, Marthas, Tanten (Aunts), etc. und Prostituierte (eine Option für Unfrauen/gefallene Frauen die im Bordell „Jezebel’s“ arbeiten). In Athen hatte man halt Hetären, Konkubinen und Ehefrauen. Aber die Einteilung hat immer noch Wirkmacht. Kajsa Ekis Ekman beschreibt wie diese Einteilung heute durch Prostitution und Leihmutterschaft, in der Kommerzialisierung von Sexualität und Reproduktion, weiterwirkt.
In den 70ern hat es in Yorkshire, England, eine Mordserie gegeben. Frauenmorde. Die ersten Opfer waren Frauen aus der Arbeiterklasse, Alleinstehende, Mütter von Kindern, die mehr schlecht als recht über die Runden kamen. Dass sich der Fundort der ersten Leichen in der Nähe des Rotlichtviertels befand, hat sofort zur Annahme der Polizei geführt, dass es sich bei den Opfern um Prostituierte handeln muss, eine Behauptung, die die Presse nur zu gerne übernahm. Dass einige Opfer sich aus finanziellen Nöten heraus prostituiert haben, hat sich dann bestätigt. Deswegen hat man geglaubt, dass Frauen aus anderen Gesellschaftsschichten nichts zu befürchten haben. Das wurde ja auch von der Polizei bestätigt, die öffentlich aussagte, dass der Mörder Prostituierte hasst. Die Presse hat dann den passenden Namen gefunden. Jack The Ripper, der Prostituiertenmörder aus dem viktorianischen London, wurde zum Patron. Man einigte sich auf den Yorkshire Ripper. Vom dritten Opfer wusste die Polizei, dass es „bis 10 Tage vor dem Mord“ ein „respektables Leben“ geführt hatte. Dann hat es „einen Statusverlust“ durchgemacht und war auf der „Straße unterwegs“. Dann fand man das fünfte Opfer, ein 16-jähriges „unschuldiges“ Mädchen und hätte feststellen können, dass der Täter wohl doch Frauen im Allgemeinen hasste. Die Dichotomie zwischen „gefallener“ und „unschuldiger“ Frau zu verwerfen, schien aber keine Option zu sein. Stattdessen unterstellte man dem Ripper das Mädchen für ein Prostituierte gehalten zu haben. Es musste sich um ein Missverständnis handeln. Um dem Mörder seinen Irrtum zu erklären, hat man sich via Brief in der Zeitung direkt an ihn gewandt. „Wie hast du dich gestern gefühlt, als bekannt wurde, dass dein blutiger Feldzug gegen Strichmädchen so schrecklich missglückt ist, dass dein rachgieriges Messer solch ein unschuldiges Opfer fand? Geisteskrank, wie du sicher bist, musst du doch einen Funken Reue gefühlt haben, als du dich von Jaynes Blutflecken befreit hast.“ Später tötet er, zum Schrecken der Polizei, auch Frauen aus der Mittelschicht, was die Polizei zunächst aber noch immer nicht von ihrer Prostituiertenmörder-Theorie abbringen kann. Als der Groschen dann endlich fällt, spricht die Polizei die Empfehlung aus, dass Frauen halt einfach das Haus in der Nacht nicht mehr verlassen sollen.
Das erinnert stark an die Entführung und den anschließenden Mord an Sarah Everard kürzlich in London. Diese Empfehlung ist immer schnell ausgesprochen, wenn dann aber eine Politikerin der Grünen Partei scherzhaft vorgeschlägt, dass man doch anstatt über eine Ausgangssperre für Frauen nachzudenken, eine Ausgangssperre für Männer überlegen könnte, kriechen die Empörten aus ihren Löchern. Man könne ja nicht ein gesamtes Geschlecht dafür bestrafen, was Einzelne machen. Dass umgekehrt diese einfache Lösung aber immer wieder als legitim zu gelten scheint, dafür hat die Empörung leider nicht mehr gereicht.
Stefan: Es ist in dem Zusammenhang auch interessant zu beobachten, wie schnell Politiker Personenschutz erhalten und wie lange es bei Künstler_innen, und eben bei Frauen, dauern kann bis sie wirksam geschützt werden. Ich würde gern mal sehen, wie diese Debatte laufen würde, wenn es einen Stadiongassen Ripper gäbe, der es nur auf Parlamentarier abgesehen hätte. Der wäre wahrscheinlich in Nullkommanichts gefasst bzw. die Schutzmaßnahmen für die Parlamentarier würden Unsummen verschlingen.
Ela: Aber lustig, dass der Yorkshire Ripper der Polizei quasi so offensichtlich unter die Nase gerieben hat, dass sie ihm eigentlich egal ist, diese Unterscheidung zwischen guter und schlechter Frau. In seinen Augen waren alle Frauen gleich schlecht. Sutcliffe, der Ripper, ist übrigens 2020 an Corona gestorben. Die Presse hat jedenfalls eine große Rolle gespielt, gemeinsam mit der Polizei, weil sie sich so an die Dichotomie geklammert haben und dadurch dieses Bild medial verbreitet, bis sie letztendlich den Trugschluss zugeben mussten.
Stefan: Im Umkehrschluss dürften ja Prostituierte für die Yorkshire Polizei keine Frauen bzw. schützenswerte Bürgerinnen gewesen sein.
Ela: Das kommt auch bei „The Fall“ vor. Bei der Vorbereitung auf eine Pressekonferenz über die Frauenmorde legt Stella Gibson dar was problematisch ist an dieser Darstellung. „Bezeichnen wir sie nicht als unschuldig.“ Auf den Einwand ihres Kollegen „Sie waren unschuldig.“, antwortet Gibson: „Was ist, wenn er als nächstes eine Prostituierte tötet, oder eine Frau die spätnachts betrunken und in einem kurzen Rock nachhause geht? Wird sie auf irgendeine Art weniger unschuldig sein (…), schuldhafter? Die Medien lieben es Frauen in Jungfrauen und Vamps zu unterteilen, Engel oder Huren, ermuntern wir sie nicht dazu.“
Also wie über Frauen berichtet wird in solchen Fällen, das hat sicher einen großen Einfluss auf die Ereignisse. Und wie man über Prostituierte spricht sicher auch. Damit meine ich aber nicht diesen „Job wie jeder andere“ Schwachsinn. Ja bitte, bei welchem anderen normalen Job hast du denn eine 18-fach höhere Wahrscheinlichkeit ermordet zu werden, eine 12-fach höhere Sterberate als die Durchschnittsbevölkerung und eine überdurschnittliche Chance eine Posttraumatische Belastungsstörung davonzutragen? Aber bei dem ganzen „individuelle Entscheidung“ Gedöns, kann man schon mal Anti Sex Work mit Anti Sex Worker verwechseln. Wenn nämlich alles eine individuelle Entscheidung ist, die man zweifellos nicht anzweifeln darf, weil das wäre Hass, sind auch alle negativen Aspekte nur individuelle Probleme. Und Körper verkommen zur „Ressource in der Sexindustrie“. So einfach ist das. Wenn die Selbstaussage der gesellschaftlichen Zuschreibung Platz macht und zum bestimmenden Argument des sogenannten Feminismus wird, kommt es zur Dekonstruktion der Frau als politisches Subjekt. Dann kann es vorkommen, dass die Minderheit der selbstbestimmten Prostituierten für Personen wie Sibel Schick zur schützenswerten Minderheit wird, für die man dann die 90% nicht selbstbestimmte Mehrheit mit dem Verweis auf Minderheitenrechte opfern kann. Freiwilligkeit ist einfach kein Argument für die Bewertung reaktionärer, frauenfeindlicher Praktiken. Ob eine Frau sich für eine Rolle oder Tätigkeit entscheidet, ist kein Kriterium für die Beurteilung dieser Rolle bzw. Tätigkeit, sondern ob die Ausübung dieser Rolle/Tätigkeit für ein Gros der Frauen den negativen Effekt hat Frauen als Gruppe unterzuordnen und auszubeuten. Aber sicher wird den Leuten wieder ein zynischer Schwachsinn zur Lösung des Problems einfallen, wie der sarkastische Vorschlag eines Facebook-Kommentators, ein Biosiegel für Bordelle einzuführen, mit Kontrollbesuchen von Staatsbeamten, die die Jochbeine der Damen kontrollieren. Blau sei schlecht, grün-gelb gehe gerade noch durch, wenn es keine Flecken gäbe, sei das ein Indiz für die Freiwilligkeit. Ich schlage als Draufgabe eine ähnliche Lösung wie CO2-Zertifikate auch für Freier vor. Beim Eingang ins Bordell könnte man Scheine kaufen, moderne Ablassbriefe, mit dem Geld werden Frauenhäuser erhalten, als Ausgleich für die Posttraumatische Belastungsstörung, die die Prostituierten davontragen. Die könnte man dann stolz sogar der Ehefrau zeigen. Übrigens, wie ich finde, eine bessere Idee als der Schutzbrief gegen Weibliche Genitalverstümmelung der Stadt Hamburg, den betroffene Mädchen bei einer Reise ins Heimatland vorweisen sollen, um einer Genitalverstümmelung durch die Familie zu entgehen.
In Deutschland hat ein Ermittler, der Undercover im Rotlichtmilieu arbeitete, eine Prostituierte erwischt, die während des Corona-Lockdown arbeitete. Die Frau musste 1.500 Euro Bußgeld bezahlen. Insgesamt wären es fast 8.100 Euro gewesen, dagegen hat sie aber Einspruch erhoben. Sie hat bestimmt illegal gearbeitet, weil es ihr so Spaß machte sich gegen Bezahlung von fremden Männern ficken zu lassen, die sich über ihre Grenzen hinwegsetzen. Das Bußgeld zahlt sie sicher ab, indem sie in Zukunft nicht gegen die Lockdown-Regelungen verstößt. Besonders schön an der Geschichte finde ich auch, dass der Ermittler, als Kunde getarnt, nicht nur einmal, sondern mehrmals „ihre Dienste in Anspruch genommen hat“, ehe er sie auffliegen ließ. Der hat seine Arbeit wahrscheinlich besonders ernst genommen.
Eine andere Prostituierte wurde mit (vorbestraftem) Zuhälter an der Grenze zu Österreich festgenommen. Gegen ihn lief ein Verfahren wegen Zwangsprostitution. Trotzdem wurde er frei gelassen, die Frau haben sie wegen illegaler Prostitution in die Münchner Justizvollzugsanstalt gesperrt. Der Zuhälter hat zwar behauptet, dass er sie auslösen wird, hat das dann aber überraschenderweise nicht gemacht.
Das liberale Prostitutionsgesetz in Deutschland produziert aber nicht nur Polizisten, die sich einen Orden verdient hätten, sondern auch Menschenhandel, denn das Angebot hat sich nach der Nachfrage zu richten, wie wir wissen, und da überraschenderweise nur die wenigsten Frauen, obwohl es sich um „einen Job wie jeden anderen“ handelt, sich selbst oder ihren Töchtern wünschen, diesem normalen Job nachzugehen, besteht meist ein Ungleichgewicht zwischen der Nachfrage und dem tatsächlichen Angebot. Andrea K., eine junge Frau aus Hannover, wurde 2020 für 2.000 Euro von ihren bisherigen „Besitzern“ weiterverkauft und von den folgenden bald darauf in der Weser ertränkt da sie, aufgrund einer psychischen Krankheit, nicht mehr an Freier vermittelbar war und damit nichts mehr wert. Zur Sicherheit hat man sie mit einer Waschbetonplatte beschwert, nicht dass sie nochmal auftaucht!
Dass Prostitution und Sklaverei nicht weit voneinander entfernt liegen, zeigt sich klar auch, wenn wir uns anschauen wie zb. der IS das heute handhabt. Übrigens auch wieder ein Beispiel dafür, dass Dschihadisten auch nur Konsumenten sind. So beschwert sich ein neuseeländischer Dschihadist in einem Zeitungsinterview, dass er zu arm war sich eine ezidische Sklavin zu leisten. Für eine ältere Frau hätte er 4.000 Dollar ausgeben müssen, für eine „ordentliche“ Sklavin mindestens 10.000-20.000 Dollar. In Christina Lambs „Our Bodies their Battlefield“ berichtet eine ehemalige ezidische Sklavin, dass im Online-Forum „Caliphate Market“ neben Playstations und Gebrauchtwägen Frauen angeboten wurden.
Stefan: Wie du oben eh schon geschrieben hast. Das was Freud als Kastrationskomplex beschreibt, ist Resultat der durchaus mangelhaften sexuellen Entwicklung vieler Männer. Kastrationsangst ist im Wortsinn das Ergebnis eines narzisstischen Interesses für die eigenen Genitalien. Die dann in der Alltagskultur im ständigen Schwanzvergleich zwanghaft hervorgehoben werden müssen. Es ist kein Zufall, dass darin auch, Weininger schau oba, ein Grundstein für den Judenhass gelegt ist. Denn mit derselben Intensität, mit der diese Männlichkeit das Weibliche bekämpft, dass es nur als kastriert, als weniger, wahrnehmen kann, mit dieser Intensität trennt es auch das Jüdische vom eigenen narzisstisch männlichen ab. Das Weibliche ist das Gegenmännliche, das Jüdische das Gegenvolk. Das steht so auch schon bei Hitler. Aber wenn die Juden das Gegenvolk sind, dann kann der Israelische Staat nur eine absolute narzisstische Kränkung sein, ein Unding, dass die Genitalnarzissten immer wieder zu neuen intellektuellen Tiefstleistungen anspornt.
Apropos Djihadismus und Dummheit. Es gibt auch Exemplare von linken Kulturmännern, die waren mal in Iran und haben seither Ahnung vom Volk der Iraner und finden – das wird man ja wohl noch sagen dürfen – die Israelis haben den Iranern übel mitgespielt und das sollte auch in jeder Dokumentation über die Region eine Rolle spielen. Also wenn ein Dokumentarfilmer darauf besteht, dass die Vernichtungsdrohungen des Irans gegen Israel auf einer Spirale aus gegenseitiger Intoleranz basiert, das die iranische Revolution die Menschen befreit hat, oder versucht die Verwicklung des Iran in den Hisbollah Anschlag auf das Quartier der US-Marines in Beirut 1983 mit dem Satz die Wahrnehmung bestimme die Realität und die USA neigen ja prinzipiell zur Lüge zu relativieren, dann ist das für den Kulturmann natürlich legitim.
Abgesehen davon kann man mit demselben linken Kulturmann-Furor dann auch noch die Kritiker der Doku als Nazibüttel beschimpfen, weil wenn der Macher von einer mit antiisraelischen Klischees spielenden Doku Jude ist, dann darf man die antiisraelischen Klischees darin keinesfalls kritisieren. Und als selbstbewusster Kulturmann kann man dem noch hinterherschicken man denke tatsächlich, dass nur Juden diesen Diskurs über diese Doku führen sollten. Weil man selber ist zwar auch kein Jude, aber jedenfalls ehrbar in den antisemitischen Klischees die man benutzt. Also aufgemerkt, der linke Kulturmann, der selber kein Jude ist, hat zwar gegen eine nachweisbar falsche Kritik am jüdischen Staat nichts einzuwenden, solange sie von Juden kommt, aber sieht kein Problem darin selbst den jüdischen Staat genau auf der Basis dieser nachweisbar falschen Kritik zu diskreditieren.
Die Nazis sind jedenfalls beim linken Kulturmann immer die anderen. So wie ja auch die Frauen immer die anderen sind und jedenfalls aufgrund ihres Mangels an Penis nicht gleichwertig.
Damit ist nicht gesagt, dass diese Kulturmänner Gewalt gegen Frauen befürworten, es ist damit nur gesagt, dass wir mit reichweitenstarken öffentlichen Meinungen konfrontiert sind, die unsere politische Urteilskraft immer wieder neu auf die Probe stellen.
Die Frau ist auch im linken Männerdiskurs über männliche Gewalt oft nur Unterpfand. Sie wird als Projektionsfläche verwendet um die eigene Gesinnung in die Öffentlichkeit zu tragen.
Ein Mädchen wurde vergewaltigt und ermordet. Den Rechten fallen dazu nur rassistische Kommentare ein. „Alle Ausländer sind Frauenmörder, sie gehören alle abgeschoben. Eine genaue Aufklärung der Tat ist nicht nötig.“ Der Tathergang wird in der Phantasie rekonstruiert und ausgeschmückt.
Und den Linken?
Den Männern unter ihnen fällt auffallend wenig anderes ein. „Ein möglicher Tathergang könnte gewesen sein …“, so beginnen Sätze, die die Welt nicht braucht. „Das was dem Mädchen passiert ist, ist furchtbar, aber …“, erinnert an „Ich bin nicht gegen Ausländer, aber …“. Gewalt gegen Frauen und Mädchen vorbehaltlos zu verdammen, fällt denselben Männern, die sich jegliche rassistische Gewalt vollkommen selbstverständlich verbieten, oft sehr schwer. Wo im Fall eines rassistischen Anschlages vollkommen zu Recht unmissverständlich protestiert wird, wo ohne Wenn und Aber Stellung bezogen wird, ist das beim Mord an einem kleinen Mädchen nicht ganz so einfach. „Man muss diese Sache differenziert betrachten.“ „Der Mörder kommt aus einem Kriegsgebiet.“ „Er war selber noch ein Kind als er nach Österreich kam.“ „Was hat der Österreichische Staat ihm nicht ausreichend gegeben, dass er zum Mörder werden musste?“
Solche und ähnliche Fragen sind perfide. Nicht nur, weil sie die Gewalt, bevor der Fall noch aufgeklärt ist, relativieren und die Schuld überall, nur nicht beim voll strafmündigen Tatverdächtigen suchen. Sondern auch, weil sie den möglichen Täter zum Pawlowschen Hund erniedrigen. „Der konnte nicht anders.“ Das ist es, was sie sagen. Das ist es, was sie bei rassistischer Gewalt niemals gelten lassen würden. Bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen offenbar teilweise schon.
Da werden Szenarien entworfen, wie der mögliche Tathergang gewesen sein könnte. „Sie ist von zu Hause weggelaufen, hat sich Drogen kaufen wollen, hat mit Sex für diese Drogen bezahlt. Ist dann eventuell einfach von selbst erstickt, hat sich womöglich die Hämatome alle selbst zugefügt.“ Jedenfalls hat sie womöglich „überreagiert“und „Atemprobleme bekommen“, 13 ist ja bekanntermaßen „für sowas ein schwieriges Alter“. „Vor allem bei Mädchen.“
Ela: Vergiss bitte nicht zu erwähnen, dass sie wie 18 bis 25 ausgesehen hat, das ist besonders wichtig für die Relativierung. Und die Frage ob das Mädchen einen Freund hatte, zu dem der Altersunterschied weniger als drei Jahre betrug. Am liebsten wäre es diesen Leuten jedenfalls, wenn das Mädchen einfach spontan selbst gestorben wäre, sich selbst unter Drogen gesetzt, sich sowohl selbst sexuell missbraucht und Hämatome zugezogen hätte, ein Verbrechen ohne Täter. Jedenfalls ist es wahrscheinlicher, dass sie sich für Drogen prostituierte, als dass die mehrfach vorbestraften Verdächtigen sie vergewaltigten, zu einem Baum in der Nähe schleppten und dagegen lehnten, weil warum sollten sie den Verdacht auf sich selbst lenken? Wahrscheinlich hat der Pürstl höchstpersönlich sie dort drapiert.
Stefan: Naja man steht ja wirklich zwischen Skylla und Charybdis, wenn man wählen muss zwischen dem rechten Rassismus und dem linken Frauenhass. Aber das hat auch theoretische Grundlagen. Die linken Männer haben es nicht leicht. Hatten sie noch nie. Nach Marx ist ja der Hauptwiderspruch, den es zu bearbeiten gilt, der zwischen Kapital und Arbeit. Manchem linken Mann ist das mittlerweile zu wenig. Er hat neben dem Klassenkampf auch den Rassismus für sich entdeckt. Aber die Frauen, die waren immer eine Marginalie in diesem Denken. Ein Nebenwiderspruch, der mit der Reproduktionsarbeit irgendwo im unpolitischen Eck herumgelegen ist, bis ihn die Feministinnen in den Mittelpunkt gerückt haben. Kurz hats gedauert. Der Postfeminismus hat den Fokus auf die männliche Gewalt gegen Frauen durch endlose intersektionelle Ergänzungen wieder in den Hintergrund gedrängt. Geblieben ist das wichtige Gespür für Rassismus und die vielen strukturellen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaften.
Verschwunden ist aber das Bedürfnis die strukturelle männliche Gewalt aus einer weiblichen Perspektive anzugreifen. Unter den tödlichen gesellschaftlichen Widersprüchen ist die Gewalt von Männern gegen Frauen nur eine von vielen und wie man sieht nicht die wichtigste, sobald sie mit einer anderen konkurrieren muss.
Das wäre für sich noch nicht das Schlimmste. Aber der Antirassismus der linken Kulturmänner geht im Wortsinn diskursiv über Frauenleichen. Und sie merken es oft nicht einmal. Anstatt, dass sie beides gleich wichtig nehmen, den Kampf für die Rechte der Frauen und den Kampf gegen den Rassismus, wägen sie immer ab und entscheiden sich im Zweifelsfall gegen die Frauen.
Wie steht es mit der in Österreich weltberühmten Internet-Schriftstellerin, die vor Jahren in einem FB Posting über ihre Vergewaltigung in einem Park geschrieben hat? Die überraschende Pointe war, dass sie ihren Vergewaltiger nicht angezeigt hat, weil sie fürchtete er würde abgeschoben werden. Wenn sogar manche Frauen so unsicher über ihren Wert sind, dass sie lieber als Faktotum einer antirassistischen Attitüde herhalten wollen, als ihre Rechte zu verteidigen. Ist dann dieser Kulturmänner-Antifeminismus daran nicht mitbeteiligt? Was sagen die Frauen dazu die potentiell wieder Opfer dieses Mannes werden konnten? War es ihnen gegenüber solidarisch dieses Verbrechen nicht anzuzeigen?
Wieso ist es nicht möglich eine antirassistische Position zu beziehen, ohne ein kleines Mädchen dafür diskursiv opfern zu müssen? Wieso lässt sich Rassismus in den Augen diese Männer nur wirksam verurteilen, wenn ein vergewaltigtes und ermordetes Mädchen an seinem Leiden und Tod selber schuld ist? Was hilft das den 99% anständigen Afghanen, dass dieses Mädchen jetzt nach ihrem Tod öffentlich erniedrigt wird, nur um sagen zu können: der Staat oder die ÖVP ist schuld, dass ein junger Mann zu einem Gewalttäter wurde? Nicht, dass das keine Rolle spielen würde. Es ist wichtig, dass immer wieder zu erwähnen und strukturellen Rassismus sichtbar zu machen. Aber muss es wirklich auf den Schultern eines ermordeten Mädchens, auf den Körpern der unzähligen geschlagenen, vergewaltigten, missbrauchten Frauen geschehen, für die ein männlicher Täter halt immer noch in erster Linie ein männlicher Täter und nicht entweder ein armes afghanisches Hascherl oder ein authochtoner Nazi-Brutalomörder ist.
Die Antwort der Männer auf solche Bedenken fällt bezeichnend aus. Von allen habe ich gegenüber ihrer in der absoluten Mehrzahl weiblichen Kritikern den Vorwurf gehört sie seien zu emotional. Die „hochkochenden Emotionen“ versperrten ihnen die Sicht auf die wahre Problematik und auch wenn die Sätze brutal klängen, so wären sie ja doch objektiv richtig und notwendig. Eine andere Strategie war Unverständnis zu unterstellen oder absichtliches Missverstehen.
Ela: Evan Stark spricht (im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt zwar, aber es passt auch hier ganz gut) von der Gleichsetzung der Maskulinität mit der Humanität, der unreflektierten Annahme, dass das „universelle Maskuline“ legitimer Standard dafür ist, was in menschlichen Beziehungen rational, räsonable und richtig ist, während das Feminine als irrational, emotional und unmoralisch gilt.
Stefan: Frauen, die Gewalt erfahren haben, verstehen auch die Sprache dieser strukturellen Gewalt. Sie kennen die Relativierungen von Polizisten, Ämtern und teilweise der eigenen Familie zur Genüge. Jeder Satz eine Re-Traumatisierung. „Warum sind sie nicht früher nach Hause gegangen?“ „Haben sie aufreizende Kleidung getragen?“ „Warum haben sie sich nicht gewehrt?“ „Vielleicht erinnern sie sich falsch.“ „Vielleicht haben sie sich einen Vorteil erhofft.“ „Vielleicht hat sich das 13 jährige Mädchen ja freiwillig für Drogen stundenlang misshandeln lassen.“
Diese Sprache hinterlässt Narben. Sie wird von allen verstanden, außer von den Männern, die sie immer wieder verwenden um zu zeigen, dass ihnen ihre politische Agenda wichtiger ist als das Leben von Frauen und Mädchen.
Ela: Um Frauen geht es wahrscheinlich bei diesen Gesprächen aber gar nicht, die sind nur argumentative Verhandlungsmasse im Diskurs, die man bei Bedarf in Stellung bringt. Ob die von Afghanen oder autochthonen Österreichern vergewaltigt werden, spielt für sie aber keine Rolle.
Stefan: Es ist ihnen egal, welche Männer ihnen Gewalt antun, es sind halt immer Männer. Und immer Männer, die es relativieren.
Ela: Je nach politischer Fasson. Die einen mokieren sich, dass Vergewaltigung nur bei afghanischen (migrantischen) Tätern öffentlich gemacht und (OH NO!) häufiger angezeigt wird, die anderen behaupten, dass Afghanen (bzw. Migranten) besonders zur Vergewaltigung neigen und drücken die Augen zu, wenn es um Fälle von vergewaltigenden Österreichern geht. Während sich aber die linken Kulturmänner darüber echauffieren, dass man sich rechts nur für Vergewaltigung interessiere, wenn es sich um afghanische Täter handle, sind für sie selbst doch auch allein die afghanischen Täter der Aufmacher, warum sie sich plötzlich für das Thema Vergewaltigung interessieren. Die einen beweinen die vergewaltigenden Afghanen, die anderen die vorverurteilten Afghanen. Um das eigentliche Problem (die Vergewaltigung von Frauen) geht es beiden nicht.
Leichtherzig kommentiert es sich dann, als nicht Betroffener (Mann) über die philosophische Frage, ob es eine gute Lösung sei, wenn nach einer Abschiebung die afghanischen Männer eben die afghanischen Frauen vergewaltigten. Da kann man dann noch ein halblustiges „Unsere Frauen für unsere Leute!“ hinterherschieben, ein Schenkelklopfer, den sich ein österreichischer Journalist auf Facebook nicht entgehen lassen konnte. Dass in Österreich die Verurteilungsquote bei Vergewaltigung für die ca. 9% angezeigten Delikte zwischen 2012 und 2016 bei ungefähr 17 % lag und 2019 gar nur um die 10% herumgrundelte, kann ja dann das Problem der betroffenen Personen sein. Ebenso wie die Tatsache, dass sich durch Zuwanderung von gewaltbereiten Männern die Anzahl der bereits im Land ansässigen gewaltbereiten Männer nicht etwa proportional verringert.
Besonders gut finde ich es auch immer, wenn sie dann kommentieren, dass man sich nach irgendwelchen US-Kriegen – sie schreiben allgemein von der „westlichen Welt“ – „nicht wundern“ braucht, wenn „sowas passiert“. Dass die sich des Zynismus der Aussage nicht bewusst sind! Sie bestehen darauf die Humanität von Flüchtlingen anzuerkennen, ihre Traumata einzubeziehen, wenn sie einem 13-jährigen Mädchen 10 Ecstasy-Tabletten verabreichen, es vergewaltigen und damit ihren Tod riskieren. Die Humanität der Frauen aber, die es tatsächlich betrifft, wenn Staatsanwaltschaften das Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ vorwegnehmen, so dass es gar nicht zur Gerichtsverhandlung kommen kann, wenn dadurch Vergewaltiger mit einem Fingerklopfen davonkommen, für die also eine steigende Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen tatsächlich eine Rolle spielt, die nehmen sie nicht einmal wahr. Das erinnert mich auch wieder an den Van der Bellen Kopftuchsager: „dann wird man halt alle Frauen bitten müssen…“. Frauen sollen sich den Ideologien von Männern unterwerfen – wir erinnern uns an Kant – denn sie selbst sind gar nicht zu Prinzipien fähig, also muss man sie eben drum bitten, die Funzen.
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