Ein Gespräch mit Sophie Ströbitzer
Stefan: Aus den biographischen Apokryphen über Elon Musk kann man entnehmen, dass er seinen heutigen Reichtum unter anderem damit begründet, dass er zwei Diamanten aus dem Familienbesitz verkauft. Bei einer Tiffany’s Filiale in New York. Danach studiert er erstmal ausgiebig in Kanada und den USA. Seine erste Geschäftsgründung ist 1994 das Unternehmensportal Zip2 für das ihm sein Vater das Startkapital zur Verfügung stellt. 1999 verkauft er es für 307 Millionen Dollar, von denen 22 an ihn gehen. Ist Elon Musk ein Selfmade Man?
Sophie: Die Frage lässt sich nur durch eine weitere beantworten: Ab wann ist man “selfmade”? Elon Musk ist sicherlich nicht in Armut aufgewachsen. Er konnte sich sein Studium finanzieren und sein Vater unterstützte seinen Bruder und ihn bei ihrer ersten Firmengründung, laut dem Biographen Ashlee Vance, mit 28.000 US-$, durch die sich die beiden beispielsweise Software-Lizenzen, ein Büro, sowie Equipment leisten konnten. Musk bestreitet das allerdings mittlerweile. Den Großteil des Fundings für Zip2 erhielten die beiden durch Silicon-Valley-Investoren, mit deren Kapital sie es schließlich schafften, das Unternehmen in wenigen Jahren in eine Multi-Millionen-Dollar-Firma zu transformieren. Das Geld seines Vaters trug dazu zwar seinen Teil bei, trotzdem kann man Musk, vor allem in Betracht der Geldsumme, über die er heute verfügt, den Titel “selfmade” nicht nehmen. 28.000 sind eine beachtliche Summe, wenn man von der Hand in den Mund lebt, aber Musks Erfolg ist keinesfalls signifikant durch das Vermögen seiner Familie bedingt.
Ela: Forbes hat 2019 in einem Artikel Kylie Jenner, Tochter von Caitlyn und Kris Jenner, als jüngste „Self-made“ Milliardärin bezeichnet. Kylie verkauft jetzt Kosmetikprodukte, eine wahrlich innovative Idee und ein Produkt, mit dem jeder reich werden könnte – wenn er Kylie Jenner hieße. Über die enormen Vorteile, die sich ergeben, wenn man aus einer wohlhabenden Familie stammt, die noch dazu 24/7 im Rampenlicht steht, und zudem über Vitamin B verfügt, hat der Artikel geschwiegen. Nachdem sich aber einige Leute recht darüber empört haben, hat Forbes einen weiteren Artikel nachgeschossen, in dem man darüber aufklärte, was alles „Self-made“ heißen kann. Kurz zusammengefasst könnte man sagen „Self-made is a spectrum“.
Und auch bei Elon Musk könnte man wieder fragen, wie kommt er überhaupt zu diesen Investoren? Ich meine, über welche sozialen Kontakte, oder wie Bourdieu sagen würde, über welches soziale Kapital verfügt er? Kann es sein, dass soziales Kapital auch vererbt wird? Und, wie bedingen sich die Kapitalformen gegenseitig? Und man könnte sich fragen, ob es für Unternehmer mit finanziellem „Polster“, aus wohlhabenden Familien, nicht auch einfacher ist überhaupt ein Unternehmen zu gründen und Risiken einzugehen als für Unternehmer ohne ein Sicherheitsnetz. Wäre Musk ohne das Geld bzw. die sozialen Kontakte des Vaters heute dieser „Selfmade“-Milliardär, der er angeblich ist?
Das ist ja auch ein Image, in das er viel Arbeit steckt, um es aufrecht zu erhalten. Die medial kursierende Behauptung, dass sein Vater eine Smaragdmine in Zambia habe, streitet Musk vehement ab – vor kurzem hat er sogar demjenigen, der beweisen könne, dass es die Smaragdmine gäbe, eine Million Dogecoins (DOGE) angeboten – worauf sich sein Vater selbst zu Wort meldete und fragte, ob er an der Herausforderung teilnehmen dürfe, denn er könne es beweisen. Aber eigentlich ist es doch unerheblich, ob es die Smaragdmine nun gibt, oder nicht. Elon Musk stammt sicher nicht aus ärmlichen Verhältnissen, da ist es dann schon egal, ob man die eine Anlage mehr oder weniger besitzt. Das Geld „arbeitet“ ab einem gewissen Zeitpunkt schon „für sich selbst“. Und ein anderer käme gar nicht in die Lage mit Smaragdminengerüchten zu kokettieren.
Sophie: Wie bei so vielen anderen Selfmade-Millionären auch, variieren wie man sieht auch bei Elon Musk die Informationen zu seinem Startkapital sowie dem Vermögen seiner Familie, das ihm in seiner Karriere vielleicht einen Startschuss gegeben habe. Dass seine eigenen öffentlichen Statements und die seines Vaters immer mal wieder nicht übereinstimmen, ist natürlich fragwürdig und Musk ist sicherlich bedacht sich weiterhin so “selfmade” wie möglich zu präsentieren, trotzdem denke ich weiterhin, dass ihm dieser Titel bis zu einem gewissen Grad auch zusteht. Privilegien, die er als weißer Mann, der (höchstwahrscheinlich) nicht in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, genießt, fließen allerdings natürlich in seinen Karriereverlauf mit ein.
Mit einer Kylie Jenner, die seit sie ein Kind ist, mehr oder wenig freiwillig vor der Kamera steht und bereits vor ihrer Geschäftsgründung einen enormen Bekanntheitsgrad sowie eine Fanbase hatte, kann man ihn allerdings nicht vergleichen. Kylie Jenner wurde defintiv in dieses soziale Kapital geboren und kann meines Erachtens nach deshalb auch nur bedingt als “selfmade” angesehen werden – wobei man auch die Frage in den Raum werfen kann, ob sie für dieses Kapital mit einer Kindheit im Auge der Öffentlichkeit und null Privatsphäre nicht auch irgendwo ihren Teil bezahlt hat. Dass der Begriff als Spektrum verstanden werden muss, ist wahrscheinlich richtig, trotzdem würde ich Musk aufgrund von potenziellen Kontakten seiner Familie nicht absprechen, sich den Status den er heute als Unternehmer hat, zum größten Teil selbst aufgebaut zu haben.
Stefan: Jeff Bezos war ja bevor er Amazon gegründet hat bereits ein Spitzenverdiener, der im höheren Management der taiwanischen Mobilfunkfirma FITEL und danach für große New Yorker Vermögensberater wie Bankers Trust gearbeitet hat. Er hat dann zur Gründung von Amazon extra ein Haus mit Garage erstanden, wie sein Biograph Brad Stone schreibt. Warum hat er das getan? Um in dieser Garage sein Büro einzurichten und sozusagen Amazon aus der Garage heraus aufzubauen, wie das Selfmade Men halt so machen. Man sieht, es geht immer auch um den richtigen Anstrich. Dafür eignen sich Ideologien. Das sind breit anerkannte Überzeugungen und Einstellungen, die aufgrund ihrer Verbreitung und ihrer sozialen Rolle für objektiv richtig gehalten werden. Sie sind ein falsches Bewusstsein von einem konkreten Inhalt. Ideologie ist also kein falscher Inhalt, sondern eine falsche Form des Denkens des Inhaltes. Ideologie versucht bestehendes Unrecht zu rechtfertigen.
Ein Beispiel: Wer Radfahren geht, um politisch frei zu sein, hat etwas falsch verstanden. Wer an der Marktwirtschaft teilnimmt im Glauben dadurch politisch frei werden zu können, ist auf eine Ideologie hereingefallen.
Was ist eigentlich eine kalifornische Ideologie?
Sophie: Die kalifornische Ideologie ist eine besondere Art von Ideologie, da sie keine aktiven Vertreter*innen hat, die sich ihr zuordnen. Sie ist eine Hypothese der Sozialwissenschaftler Andy Cameron und Richard Barbrook, die im Zuge des Technologiebooms der 90er im Silicon Valley entstand. Die beiden Wissenschaftler beschreiben mit der von ihnen begründeten kalifornischen Ideologie die Philosophie und Weltvorstellung einer gewissen Gruppe von Menschen zu dieser Zeit. Sie bemerkten eine neue Art “Unternehmerkult”, die sowohl durch die Verbreiterung des Internets als auch seiner Kommerzialisierung entstanden sein soll.
Stefan: Sie beschreiben damit einen Glauben an die emanzipatorischen Möglichkeiten die durch moderne Technologien entstehen können.
Sophie: Die Kernphilosophie ist der Glaube, durch den technologischen Fortschritt würden liberale Prinzipien sich verselbstständigen und jede*r könne von nun an die eigene Meinung ohne Zensur kundtun. Die Anhänger dieses “Kults” wie die beiden Wissenschaftler sie einordnen, seien überzeugt, die Technologisierung der Gesellschaft biete ein freieres und gerechteres Leben und löse sich von den starren Regeln staatlichen Zwangs und ökonomischer Monopole. Der Vorwurf von Barbrook und Cameron lautet, diese religiöse Interpretation der Technik würde bestehende gesellschaftliche Probleme ausblenden und die gefährlichen Aspekte der voranschreitenden Technologisierung negieren. Die Autoren versuchen durch die Kritik der kalifornischen Ideologie die Intentionen und oftmals heuchlerischen Praktiken der Menschen an der Spitze der Big-Tech-Bubble sowie die Blindheit ihrer Anhänger*innen in einem ideologischen Konstrukt festzumachen und deren Lücken zu entlarven. Selbst-proklamierte Anhänger*innen der Moralkonstrukts sind, aber wie bei anderen Ideologien, hier nicht vorzufinden.
Ela: Es ist ja ein merkwürdiges Amalgam aus konservativ-neoliberaler Wirtschaftsgläubigkeit und Hippie-Progressivität entstanden, oder? Also so eine Art Hippie-Yuppie-Techno-utopisches Frankensteingebilde. Technik wird alle Probleme lösen, Sharing Economy, blabla, und der Staat hat sich gefälligst so weit wie möglich da rauszuhalten, denn der stört die natürliche Ordnung, die unsichtbare Hand des Marktes. Wenn die Märkte einfach in Ruhe gelassen werden, wird sich alles ausbalancieren. Silicon Valley ist sowas wie ein Ökosystem, das in Ruhe gelassen werden muss.
Stefan: Ein großer Teil der Ideologie ist die Überzeugung sich als Gesellschaft auch oder sogar nur durch die Privatwirtschaft und entgegen staatlicher Interventionen weiterzuentwickeln und Demokratie leben zu können – sozusagen aktiv Politik zu machen, indem man Ökonomie perfektioniert. Du sagst, ein aktuelles Beispiel dafür ist die medial sehr präsente Übernahme des US-Kurznachrichtendienstes Twitter durch Elon Musk.
Sophie: Genau. Die Verfasser der Kalifornischen Ideologie schreiben davon, dass sich die großen Profiteure der Big-Tech Szene des Silicon Valley gerne öffentlich von der Politik distanzieren – hinter verschlossenen Türen sehe das aber ganz anders aus. Elon Musk ist vor diesem Hintergrund eine ganz besondere Figur. Während er den größten Teil seiner Karriere immer versuchte sich nicht öffentlich politisch zu positionieren, sich in den USA sowohl für Demokraten als auch für Republikaner stark machte, so hat sich seine Einstellung diesbezüglich in den vergangenen Jahren verändert. Der Milliardär twittert immer wieder provokante Stellungnahmen zu polarisierenden Themen, lässt sich in Verschwörungstheorien verwickeln und sympathisiert offen mit teils rechtsradikalen Gruppierungen. Zuletzt sorgte er sich besonders um die Wahrung der allgemeinen Meinungsfreiheit, die er durch jegliche regulierenden Eingriffe in die Massenmedien gefährdet sieht.
Stefan: Seit der Übernahme von Twitter durch Musk hat sich da einiges getan. Das Center for Countering Digital Hate (CCDH) hat aufgezeigt, dass User, die sich Twitter Blue leisten, mittlerweile sagen können was sie möchten. Auch rassistische, antisemitische, homophobe und misogyne Aussagen werden im Fall der Blue User nicht mehr geahndet. Darunter Aussagen wie:
„Die schwarze Gesellschaft hat mehr Schaden angerichtet als der Klan je getan hat.“
„Die Judenmafia will uns alle durch braune Menschen ersetzen.“
Sophie: Der Entschluss Musks Twitter zu kaufen wirkte sehr spontan. Aber am Tag der Übernahme entlässt er einen großen Teil der Belegschaft und der Führungsriege per E-Mail. In den folgenden Wochen werden unter Musks Führung ehemalige wegen bedenklicher Inhalte gesperrte Konten, wie das von Donald Trump, aufgehoben und Authentifizierungskennzeichen von Konten können von nun an ersteigert werden. Das Unternehmen verliert daraufhin in kurzer Zeit zahlreiche Werbekunden und sinkt in kurzer Zeit stark im Aktienkurs. Hat sich aber mittlerweile wieder erfangen.
Während die Geschichte “Musk kauft Twitter” noch viele weitere Akte zählt und medial sowohl für Unterhaltung als auch Empörung sorgte, visualisiert sie eines besonders gut: Die Weltverbesserungsagenda des Unternehmers, der überzeugt davon scheint, durch Privatwirtschaft und Technologie die Gesellschaft besser voranbringen zu können als durch staatliche Maßnahmen. Der ideologisch motivierte Kauf zeigt außerdem einerseits die Anstrengungen, die Musk auf sich nimmt, um seine libertären Werte zu vertreten und gleichzeitig wie begrenzt diese doch sind, wenn es sich um den eigenen ökonomischen- oder Imageschaden handelt.
Ela: Elon Musk bezeichnet sich selbst ja als „free speech absolutionist“ – man beachte die entlarvende Wortwahl. Lustigerweise ist er bekannt dafür Kritikern mit Klagen zu drohen oder ihnen einfach zu kündigen. Zudem hat Twitter unter Musk einem Großteil der Zensuranfragen autoritärer Regierungen zugestimmt. Also Absolutist dürfte im Fall von Twitter und Musk schon stimmen. Ich würde sagen, Elon Musk ist inzwischen der Kanye West von Silicon Valley. Ähnlich wie dieser kann er noch so viel Blödsinn verzapfen, und seine Anhänger – und ich verwende hier absichtlich nur die männliche Form – hängen trotzdem an seinen Lippen, als wäre er der größte Intellektuelle aller Zeiten. Ye und Musk treffen wohl den Geschmack einer ähnlichen „Gruppe“ junger Männer. Ich glaube das hat auch wieder viel damit zu tun, was Angela Nagle in „Kill all normies“ beschreibt: „Eines der Dinge, die die oft nihilistische und ironische Chan-Kultur mit einer breiteren Kultur des Alt-Right-Orbits verband, war ihre Ablehnung politischer Korrektheit, Feminismus, Multikulturalismus usw. und deren Eindringen in ihre freiheitliche Welt der Anonymität und Technologie.“ DasSilicon Valley ist ja auch stark mit Ideen der Counter-Culture verbunden.
Sophie: In ihrer Absurdität und Sprunghaftigkeit zwischen politischen Lagern lassen sich Kanye West und Elon Musk in ihren öffentlichen Statements tatsächlich ganz gut vergleichen – wobei West sicher mittlerweile ein neues Level an Absurdität und auch Hemmungslosigkeit entwickelt hat, außerdem wird bei ihm bereits seit längerem eine psychische Problematik vermutet. Beide Männer stehen allerdings seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit und sind in ihren Branchen an der Spitze des Erfolgs angekommen. Beide haben sich in ihren öffentlichen Meinungsäußerungen vor allem in den vergangenen Jahren immer mehr radikalisiert und versuchen gleichzeitig zu provozieren und polarisieren. Es wäre interessant zu wissen, welchen Einfluss dieser immense Erfolg und auch das Ankommen an der Spitze auf die Entwicklung ihrer öffentlichen Äußerungen hat und ob das dann wirklich etwas über sie aussagt, oder nur wieder zu einer Marketingstrategie gehört.
Stefan: Das Media Research Center (MRC) in den USA hat ermittelt, dass Twitter seit der Übernahme durch Musk repressiver geworden ist. Die Zensur trifft nicht weniger, sondern andere Leute. Meist Menschen, die keine große Bühne haben wie Donald Trump um ihre Sperrung zu einem öffentlichen Thema zu machen.
Nick Srnicek, der den Plattform-Kapitalismus begrifflich für die Wissenschaft erschlossen hat, sagt, seine Überlegungen beginnen an der Stelle, wo er von der kalifornischen Ideologie absieht. Für ihn ist die analytische Kompetenz des Begriffs darauf beschränkt politische Akteure zu beobachten, die durch ökonomische Aktivität nach politischer Macht streben. Srniceks Hypothese wendet sich gegen diesen kulturalistischen Ansatz und will dessen ökonomische Seite zur Darstellung bringen, dass diese Akteure Profit machen wollen um ihre Konkurrenz auszustechen und deshalb an manchen Stellen politisch werden. Das bedeutet, nicht das geniale Kalkül von Superbösewichten ist ausschlaggebend für ihre strategischen Entscheidungen, sondern die Struktur der Kapitalakkumulation diktiert ihre Handlungen. Die wahnsinnigen öffentlichen Auftritte sind dann Makulatur um das Image aufzupolieren und bestimmte Segmente der Gesellschaft zu aktivieren. Ye macht das mit Antisemitismus, womit er sicherlich auch einige Hip-Hop Fans abholen kann. Musk eher mit libertärem Männergehabe.
Aber es ist auch wichtig zu sehen, dass die Profite in der Erzeugung von Waren seit Jahrzehnten zurück gehen. Daher wendet sich das Kapital den Daten zu, die immer noch Wachstum versprechen. Digitale Plattformen (wie Facebook, Google, Amazon) sind gigantische Datenakkumulierer, die Digitalisierung das technische Mäntelchen, dass sich die neuen Charaktermasken der kapitalistischen Entwicklung umgehängt haben. Auch die von Musks ehemaligen Geschäftspartner Peter Thiel propagierte ständige Erneuerung durch Zerstörung, Disruption, entspricht den Ansprüchen des Kapitals nach ständig neuen Techniken, die darauf zielen, sinkende Profite in veralteten Bereichen, wo der Gag nicht mehr zieht, wieder reinzuholen.
Ist es alter Wein in neuen Schläuchen, oder gibt es utopische Potentiale der kalifornischen Ideologie?
Ela: Man muss sich halt fragen, wie revolutionär diese ganzen Start-Ups, die aus Silicon Valley herauskommen, tatsächlich sind, wie sehr sie tatsächlich unser Leben verbessert haben. Z. B. Uber ist ein billigeres Taxi, aber ist das revolutionär, hat sich dadurch unser Leben so stark verbessert? Das Leben der Uber-Fahrer ja eher nicht. Die sind nach ihrem Arbeitgeber selbstständig und damit würde der Versicherungsschutz und Sozialleistungen wegfallen, die man als Angestellter hat. Das wurde zwar in vielen europäischen Ländern angefochten – Gerichtsurteile wurden aber teilweise von Uber ignoriert – inzwischen hat es auch in den USA teilweise die Bestätigung gegeben, dass Uber-Fahrer als Angestellte gelten. Der sympathische Uber-CEO Travis Kalanick hat auf Proteste seiner Fahrer wegen mieser Bezahlung reagiert, indem er meinte, dass sie sowieso bald durch Computer ersetzt würden. Der Programmierer Steve Dekorte hat Uber 2015 übrigens mit Rosa Parks verglichen, als wieder einmal eine Sammelklage anstand, weil Uber seine Fahrer als unabhängige Unternehmer beschäftigte. In einem Tweet hieß es „Ja, Uber hat gegen das Gesetz verstoßen. Das Gleiche geschah mit Rosa Parks. Korrupte Gesetze zu respektieren, die Kumpanen besondere Privilegien gewähren, ist keine Tugend.“
Und lustigerweise geht mit dem Aufstieg der Tech-Riesen in Silicon Valley ein Rückgang an Innovationskraft einher, denn die haben ja inzwischen Monopole aufgebaut. Wie innovativ ist es, dass man sich alles Mögliche zur Haustür bringen lassen kann? Und was heißt das alles für die Angestellten dieser Unternehmen? Hat das Potenzial unser Leben zu revolutionieren? Wie viele hundert Sharing-Apps brauchen wir?
Sophie: Die Frage, ob Geschäftsleute wie Musk wirklich aus ideologischen Gründen handeln oder diese nicht viel eher als öffentlichen Scheingrund in Form von vorgegaukelter Integrität inszenieren, um ein neues Marktsegment zu erschließen, ist natürlich eine relevante und wichtige. Obwohl das teilweise der Fall sein mag, sehe ich das am Beispiel Musk und auch generell bei den Akteuren, die von der kalifornischen Ideologie angesprochen werden, nicht vorliegen. Ich denke einerseits, dass Menschen wie Musk, die stolz den Kapitalismus nicht nur ankurbeln, sondern sogar als visualisiertes Sinnbild dessen gesehen werden und daran Gefallen finden, keine ideologische Tarnung für ihre strategischen ökonomischen Züge brauchen. Man erwartet von Musk zu wirtschaften und er könnte dies auch in Ruhe, ohne öffentliche Rechtfertigung seiner Entscheidungen tun, wenn er wollen würde.
Ich halte den Kauf von Twitter nicht für einen rein ideologischen Zug am Schachfeld des Medienkapitalismus, auch wenn er auf den ersten Blick ideologisch motiviert scheint, verdankt sich die Kaufentscheidung sicherlich auch einem ökonomischen Kalkül. Musk wollte ein Exempel statuieren und dabei das Unternehmen wertvoller machen. Und vor allem wollte er sich auch am Markt der öffentlichen Kommunikation beteiligen. Trotzdem hat seine Weltvorstellung sicher viel mit rein gespielt.
Stefan: Das wäre dann das typische Verhalten digitaler Plattformen. Der Soziologe Philipp Staab ist ja überzeugt, dass es den Plattformen um den Besitz des ganzen Marktes geht. Also keine ideologische Finte, sondern eine ökonomische Notwendigkeit.
Sophie: Abgesehen davon ist jeder Image-Move natürlich immer auch zum Teil ökonomisch bedingt, weil er direkt auf Musks Wert als Unternehmer wirkt. Es findet also sicherlich ein Wechselspiel zwischen den beiden Ambitionen statt. Ideologische und ökonomische (Selbst-)Aufwertung ist sicherlich Teil der kalifornischen Ideologie. Die ja auch auf Selbstperfektionierung zielt.
Stefan: Peter Thiel strebt ja bekanntermaßen nach Unsterblichkeit und will sich auch einfrieren lassen.
Dieses ambivalente Verhältnis von Ideologie und Ökonomie, das du beschreibst, durchzieht alle libertären Ideologien und ist auch im Liberalismus spürbar. Arbeit soll sich lohnen, jeder kann es schaffen, aber man muss auch bissl auserwählt sein, damit es klappt.
Ayn Rand ist sicherlich eine Gallionsfigur aller heutigen Selfmade-Männer. Ihr Konzept über die Welt nachzudenken, nannte sie „Objektivismus“. Darin entfaltet sie auf der erkenntnistheoretischen Ebene einen radikalen Rationalismus und auf der gesellschaftstheoretischen Ebene einen radikalen Individualismus. Das Denken soll laut Rand durch Beobachtung und Logik geprägt sein, mittels denen unbestreitbare Fakten ermittelt werden können. Das Handeln sollte von Egoismus, Erfindergeist und Tüchtigkeit angetrieben werden. Eigennützig agierende Großindustrielle sind für sie der Motor der Welt. Den Kapitalismus beschreibt sie in einem Aufsatz von 1965 – „What is Capitalism?“ – als objektive Voraussetzung menschlicher Freiheit. Jeder gesellschaftliche Reichtum wird in ihren Augen von Individuen produziert und sollte diesen auch gehören. „There is no such thing as social surplus.“ Die Armen sind arm, weil sie nicht egoistisch, nicht erfinderisch, nicht tüchtig genug sind und sollen es auch bleiben. Wie denkt Musk über diese Dinge?
Sophie: Ich denke nicht, dass Musk so radikale Worte wie Rand über die Kluft zwischen Arm und Reich findet und die Welt dermaßen schwarz und weiß betrachtet. Er selbst ist zwar wahrscheinlich der Kapitalismus in Person, bezeichnete sich 2018 auf Twitter aber beispielsweise als Sozialist: “By the way, I am actually a socialist. Just not the kind that shifts resources from most productive to least productive, pretending to do good, while actually causing harm. True socialism seeks greatest good for all.“, so seine Worte. Trotzdem gehe ich davon aus, dass er ähnlich wie viele seiner Branchenkollegen, die sich in der Privatwirtschaft ein enormes Vermögen angehäuft haben, davon überzeugt ist, dass jeder Schmied seines eigenen Glücks ist. Er ermutigt seine Mitarbeiter*innen mit dem Versprechen, wer alles für ihn und seine Vision tue und sich der gemeinsamen Mission praktisch “versklave”, werde am Ende erfolgreich aussteigen.
Ela: Eben. Das ist ja auch wieder so eine Ideologie. Als wären die Ärmsten der Gesellschaft die Unproduktivsten der Gesellschaft und jene mit den meisten Ressourcen die Produktivsten der Gesellschaft. Nur weil ich mich, bevor ich typisch neoliberale Slogans raushaue, als Sozialist bezeichne, macht mich das noch lange nicht zum Sozialisten. Das ist übrigens dasselbe Argument, das heute teilweise in Diskussionen über die Nazis verwendet wird, wo dann behauptet wird die Tatsache, dass das Wort Sozialismus in Nationalsozialismus vorkomme, beweise schon, dass die Nazis Sozialisten waren. Das macht mich immer wahnsinnig, wenn so getan wird, als hätten Worte keine Bedeutung. Was für eine Art Sozialist ist Musk denn, wenn er behauptet, wer reich sei, sei dies, weil er hart gearbeitet habe, während faule Menschen eben arm blieben.
Das nennt man in der Sozialpsychologie einen fundamentalen Attributionsfehler. Man neigt dazu, bei anderen Menschen die Ursache für deren Verhalten in ihrer Persönlichkeitsstruktur zu vermuten, nicht in den Umständen. Der Gründer des Google-X-Labors Sebastian Thrun drückt das so aus: „Es sind nicht die Pessimisten, sondern die Optimisten, die die Welt verändern werden (…) die Folge ist, dass diese Menschen auch mehr Reichtum und Macht anhäufen werden.“ Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Wenn jemand reich ist, dann liegt das daran, dass er besonders hart gearbeitet hat und nicht daran, dass sein Vater eine Smaragdmine hat und sein Söhnchen schon früh in den richtigen Kreisen Gassi geführt hat.
Die George Washington Universität hat 2019 einen Bericht herausgegeben, aus dem hervorging, dass der wichtigste prädikative Faktor für späteren beruflichen Erfolg das Haushaltseinkommen der Familie ist. Laut einer Studie des National Bureau of Economic Research von 2005 werden ungefähr 34 % bis 45 % der Vermögen in den USA vererbt.
Stefan: Vielleicht ist Musk einfach wirklich nur ein Geschäftsmann, der opportunistisch das sagt, was ihm grad in den Sinn kommt und letztendlich auch so handelt. Es gäbe da ein paar Anzeichen dafür in seiner Biographie. Das hat aber auch ein messianisches Element, wenn ich das so höre. Also wenn ich mich dem Ziel Gottes unterwerfe komme ich dafür in den Himmel. Die Evangelikalen Christen nennen es das Calling. Ayn Rand hat sich übrigens anlässlich einer Krebserkrankung unter falschem Namen bei der staatlichen Sozial- und Krankenversicherung angemeldet und diese beinahe 10 Jahre bis zu ihrem Tod auch konsumiert.
Sophie: Ähnlich wie vielen weiteren vermeintlichen Selfmade-Millionären, traue ich auch Musk zu, die Beiträge die Mitarbeiter*innen über viele Jahre zu seinem Erfolg geleistet haben, nicht genügend anzuerkennen. Ich glaube auch nicht, dass er sehr intensiv die gesellschaftlichen Privilegien und Umstände, die zu seinem heutigen Reichtum beigetragen haben, reflektiert. Dass Musk der Meinung sei, Armut würde nur durch Dummheit und Faulheit existieren, glaube ich allerdings auch nicht.
Stefan: In seinem Buch Zero to One legt Thiel offen dar, dass ein Startup seiner Ansicht nach am besten wie Kult organisiert ist. Der Unterschied ist in seinen Augen nur, dass die Anhänger eines Kultes „fanatically wrong about something important“ sind, während die Angestellten in einem erfolgreichen Startup „fanatically right“ (Thiel: 125) sind. Das klingt nach dem Randschen Objektivismus. Die Erfolgreichen entscheiden, was richtig ist und was falsch.
Ela: Thiel ist ja auch Anhänger kreativer Monopole, denn diese bedeuteten „neue Produkte, die allen zugutekommen“, während „Wettbewerb bedeute(), dass niemand davon profitiert“.
Stefan: Nicht umsonst wurde Thiel 2015 mit dem Hayek Lifetime Achievement Award ausgezeichnet. Ohne Friedrich August Hayek könnte die bürgerliche Nationalökonomie wohl nicht bis heute an ihren überholten Vorstellungen von der kulturellen Evolution festhalten. Diese besagt, kurzgefasst, dass gesellschaftliche Werte nur in geringem Maße Resultat menschlicher Gestaltung sind. Für Hayek stammen sie vielmehr aus drei Wurzeln: den biologischen „vererbten“, den kulturell „erprobten“ und den rational „geplanten“. In der Nationalökonomie, wie sie an den Universitäten gelehrt wird, wirkt sich das insofern aus, als weiterhin so getan werden kann, als wären die Fragen von Reichtum und Armut kein Feld politischer Gestaltung, sondern gottgegebene Natur, in die sich die Menschen einfügen müssen. Was bedeutet Erfolg in der kalifornischen Ideologie?
Sophie: Erfolg bedeutet nach der kalifornischen Ideologie, sich selbst durch Innovation verwirklicht und dadurch gleichzeitig finanziell ausgesorgt zu haben – und das ohne Unterstützung. Jeder ist Schmied seines eigenen Glücks und nur wer so “selfmade” wie möglich ist, hat es wirklich geschafft.
Stefan: Das Siegel “selfmade” hat etwas Wahnhaftes.
Sophie: Es ist ein Wahn, der sich vor allem im politisch tendenziell rechts verorteten Lager verfängt. Dabei wird versucht, eine historische Verbindung zwischen den Gründungsidealen des liberalen Amerikas und der unternehmerischen Tüchtigkeit der Siedler des 18. Jahrhunderts zu erzeugen. Das „selbstgenügsame Individuum“ in Form von Cowboys oder Trappern im Wilden Westen wird glorifiziert. Der einsame Held, der sich von den „unterdrückenden“ Gesetzen des Staates zu lösen versucht und so zu seinem Reichtum und Erfolg gelangt. Außen vorgelassen wird dabei sowohl in der Geschichte als auch in den Erzählungen vieler selbst betitelter Selfmade-Billionaires, dass dieser Erfolg abhängig ist von der Arbeit vieler anderer Menschen, teilweise staatlicher Unterstützung oder durch das Leid und den Verlust Anderer fortschreiten konnte.
Ela: Dabei ist die Idee, die von vielen der Silicon-Valley-Milliardäre vertreten wird, zu viel staatlicher Einfluss würde Silicon Valley schaden, ja auch ein ideologisches Konstrukt, denn wie hätte Silicon Valley sich zu dem entwickeln können, was es heute ist, wenn der Staat kein Geld zugeschossen hätte, für Infrastruktur, Forschungsstipendien und Gründerdarlehen? Google oder Apple z. B. würde es ohne Zuschüsse und staatliche Investitionen nicht geben. Und Elon Musk hätte ohne staatliche Zuschüsse nicht bis heute durchgehalten. SpaceX z. B. wäre ohne eine Intervention von NASA 2008 heute nicht mehr am Leben.
Oder nehmen wir den Crypto-Hype. Da kommen wir auch wieder zu den Anhängern Musks, die auf seinen Anreiz hin in Dogecoin investiert haben und massiv Verluste gemacht haben. Da wurde übrigens schon eine Sammelklage eingebracht gegen Musk, in der ihm Insiderhandel vorgeworfen wird. Man wirft ihm unter anderem „eine vorsätzliche Marktmanipulation durch einen ‚Publicity-Zirkus‘“ vor, „um den Dogecoin-Preis in die Höhe zu treiben.“ Bei Crypto gab es ja zu Beginn auch diesen Hype, weil es quasi das Versprechen beinhaltet, dass jeder damit Geld machen kann. Niederschwellig, „demokratisch“, blablabla. Nur vergisst man da auch wieder, dass der Verlust von Geld die einen wahrscheinlich mehr schmerzt als die anderen.
Stefan: Was auch ausgelassen wird ist, dass wir bei den Energiekosten der Bitcoins mittlerweile bei 132,98 Terawattstunden im Jahr angelangt sind. Das entspricht dem Jahresverbrauch von Österreich. Nur zum Geld zählen!
Ela: Ein anderer Vorwurf von Anlegern gegen Musk war, dass er mit Tweets die Tesla-Aktie in die Höhe getrieben habe, als er behauptete, dass die Finanzierung gesichert sei und er das Unternehmen von der Börse nehmen könne. Apropos Twitter, das hat ja auch eine Rolle beim rapiden Crash der Silicon Valley Bank gespielt, als man quasi per Social Media zum Bank Run aufgerufen hat und damit den größten Crash seit Lehman Brothers ausgelöst hat.
Stefan: Bei den tüchtigen Cowboys wird auch einiges ausgelassen. Vor allem wird ausgelassen, dass der Staat in Form von Armee und Gesetzen eine wichtige Rolle dabei gespielt hat diese selbstgenügsamen Individuen am Leben zu erhalten. Mit den Native Americans wurden hunderte Verträge geschlossen, die alle nach und nach gebrochen wurden. Diese Verträge führten immer wieder zu ihrer vorübergehenden Befriedung, bis sich die Siedlerpopulationen so weit erhöht hatten, dass durch Gewalt Fakten geschaffen werden konnten. Einzelne Bundesregierungen setzten dann hohe Belohnungen auf die Tötung von Native Americans aus. Kaliforniens Parlament genehmigte in den Jahren von 1851 bis 1860 1,5 Millionen Dollar für kriegerische Kampagnen gegen die Natives. (Mattioli: 217) Das durch den Gründergeist und den Frontiergedanken erzeugte Leiden ist gigantisch und bis heute nicht aufgearbeitet. Und ich weiß jetzt auch nicht von Initiativen des Silicon Valley da irgendwas anzugehen in die Richtung.
Das Abenteuer an der Frontier, der Goldrausch, die sogenannten „Indianerkriege“. Alles Mythen des so genannten „Wilden Westens“, der im Grunde schon sehr lange ein kapitalistischer Westen war. Die ursprüngliche Voraussetzung für den Aufstieg Kaliforniens war die Auslöschung des Lebens der Native Americans. Frederick Jackson Turner, wie die meisten akademischen Historiker des 19. Jahrhunderts ein Fan der sozialen Evolutionstheorie, prägte den Frontierbegriff. Bei der Weltausstellung von 1893 in Chicago hat er verkündet, dass der Weg der Siedler nach Westen die amerikanische Entwicklung erklärt. Die sich chaotisch nach einer grausamen Eroberungslogik vollziehende Ausbreitung der USA beinhaltete als Kern die Ausrottung. Für Turner ist diese barbarische Vorbereitung der kapitalistischen Akkumulation eine wirksame militärische Trainingsschule und das Labor des gesamten politischen Systems der USA. Der Binnenkolonialismus ist übrigens keine Erfindung der USA. Das wird die Maoisten und 68er jetzt in ihrem Antiamerikanismus irritieren, aber Russland hat das indigene schamanistische und tribalistische Leben in seinem Osten lange ausgelöscht, bevor Old Shatterhand seine Silberbüchse von Winnetou gestohlen hat.
Aber zugegeben, die USA erprobte damals, um mit den Worten von Aram Mattioli zu sprechen, „ein neues Gesellschaftsmodell, in dem Grund und Boden zu einem gleicherweise begehrten wie handelbaren Gut wurde“ (Aram Mattioli: Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas, 2018: 20).
Würdest du sagen, es ist etwas von dieser Gewalt noch in der kalifornischen Ideologie spürbar? Also ich frage jetzt bewusst nicht danach, ob das vergleichbar ist, das ist es nämlich natürlich keinesfalls. Darum geht’s auch nicht. Aber spürt man ein Echo davon in den Äußerungen der Akteure?
Sophie: Ich könnte nicht sagen, dass noch Gewalt in der Ideologie zu spüren ist, da mir dafür jegliche Beweise oder Anhaltspunkte fehlen würden. Was allerdings bleibt, ist eine gewisse Ignoranz, eine aktive Ausblendung gesellschaftlicher Probleme und wenig Anerkennung der existierenden Diskriminierung, die von vielen Bevölkerungsgruppen und natürlich den Native Americans erfahren wird. Damit meine ich nicht, dass die angesprochenen Akteure, die oft gesellschaftlich libertär eingestellt sind, Diskriminierungen aufgrund von Herkunft oder sexueller Orientierung nicht anerkennen, oder sich nicht auch öffentlich gegen diese Problematiken aussprechen würden, sondern, dass sie die Konsequenzen, die diese Hürden mit sich bringen, nicht mit in ihr Narrativ integrieren. Es gilt: Wer viel arbeitet und klug ist, kann alles schaffen – jeder kann den American Dream leben. Es besteht hier eine gewisse Selbstbeweihräucherung im Sinne von “Ich habe es geschafft, also kann es auch jeder andere schaffen”, in der Silicon-Valley-Brüderschaft, die oftmals ihre eigenen Privilegien nicht sieht oder sehen will und sich zusätzlich auch nicht als verantwortlich empfindet, ihre ökonomische und gesellschaftliche Macht zu nutzen, um diese Missstände zu beheben. Am ehesten könnte man also diese Ignoranz und Ausbeutung der eigenen Privilegien bei simultaner aktiver Ausblendung von Missständen als eine Form von Gewalt sehen.