Unter Gamerinnen: Zum aktuellen Stand des Immergleichen Teil 1

Stefan: Ich spiel heut einen alten Mann auf der Bank, der über die Jungen die vorbeigehen schimpft und mit seinem Stock wedelt. Ich bin 1981 geboren und ich hab ein Vorurteil gegenüber der aktuellen Gamerszene. Ich glaub, ihr könnts nicht mehr richtig spielen. Mir ist klar, dass im Gegensatz zu früher mittlerweile Gaming eine olympische Disziplin ist und Menschen Millionen damit verdienen können. Gleichzeitig seh ich so oft Reviews über „Spiele“, die eigentlich keine mehr sind. Es sind Filme und an drei Stellen kann man auf die X-Taste drücken.

Die andere Art von Spielen nennt sich Computer Rollenspiel, fast immer mit Open World, und besteht meistens darin, dass man herumläuft und Gegenstände einsammelt, die man dann verwendet um eher einfach gestrickten Gegnern eines auf die Nase zu geben. Spannung kommt dabei aus mehreren Gründen nicht auf: 1. Weil das Kampfsystem meistens nur das wiederholte Klicken mit der linken Maustaste als Strategie vorsieht. 2. Weil die KI der Gegner extrem lahm ist. 3. Weil man durch Auto- und Quicksave Funktionen de facto nicht sterben kann. 4. Weil man meistens jederzeit, auch während eines Kampfes, den Schwierigkeitsgrad angleichen kann und die ohnehin tumbe KI des Gegners noch weiter senken.

Es gibt natürlich Ausnahmen. Aber selbst solche Spiele wie Bloodborne sind nicht halb so unfair und hinterlistig wie Castlevania I von 1986 auf dem NES. Man stelle sich vor, da konnte man nicht speichern und es kam auf Reflexe und schnelle Auffassungsgabe an um durchzukommen! Da fangen heutigen Spielern die Knie zu schlottern an.

Felix: Du sprichst von dem ersten Nintendo Entertainment System. Ich bin mit der Nintendo Wii in mein Gamerleben eingestiegen. Nicht, weil ich bis dato kein Interesse an Videogames (Vgames) hatte, vielmehr weil meine Eltern mir erst 2010 (2 Jahre nach erscheinen der Wii auf europäischen Märkten) zutrauten, Vgames zu spielen. Um jetzt meine Eltern nicht sofort in ein gamerfeindliches Shitstorm-Setting zu werfen: ich hatte einen GameBoy, auf dem ich zu abgemachten Zeiten spielen durfte und muss ehrlich gestehen, ich hab für mich nix verpasst.

Du sprichst mit dem Castlevania-Bloodbourne Vergleich da gerade etwas an, wo ich gleich mal einen massiven Einwand gegenüber deiner These (die man in der heutigen Gamerszene als Boomer-Rant bezeichnen würde) anspreche. Technologie verändert sich mit der Zeit. Die NES war die erste Konsole von Nintendo, die Switch ist die neueste. Lustigerweise kann man auf der Switch sowohl Castlevania als auch den ersten Teil der Dark Souls-Reihe (selbes Konzept und Entwicklerstudio wie Bloodborne) spielen.

Die NES war durch ihre technischen Kapazitäten limitiert, ich glaube nicht, dass die Entwickler von Castlevania in erster Linie ein Spiel im Sinn hatten, das keine Fehler zulässt oder den Spieler zu einem Reflexmonster erziehen sollte. Es gibt auch heute noch Spieler, die genau diese Herausforderungen schätzen. Ich gehöre definitiv nicht dazu.

Mit dem technologischem Fortschritt erkläre ich mir auch, dass sich das komplette Konzept von Vgames gewandelt hat. Die Grafik wurde besser, die technologischen Möglichkeiten breiter. Ich glaub schon, dass eine gute Grundidee eines Spieles überleben kann, da ist die Grafik scheißegal, ABER in letzter Zeit werden Vgames meistens nur mehr daran gemessen, wie flüssig sie rennen oder wie sehr die Elemente einer UltraHD Auflösung standhalten.

Was du auch kritisierst, ist die Möglichkeit, die KI der Gegner anzupassen. Ich persönlich sehe darin für mich eher ein Benefit. Ich hab kein Interesse daran ein Spiel wie das vorsintflutliche Castlevania zu spielen, teils weil meine (zugegeben wenig bis gar nicht vorhandene) Frustrationstoleranz das nicht zulässt, teils weil ich mich ganz gern in die Fantasiewelt eines Vgames flüchte. Mit Strapazen, Stress und unangenehmen Konfrontationen habe ich bereits im RealLife genug zu kämpfen, da erscheint es mir ganz angenehm, einfach mal im Spielmenü auf „leicht“ zu stellen und für mich zu beschließen, dass es ein gutes Gefühl ist, der depperten KI überlegen zu sein.

Stefan: Ich hab mir gestern beim Zuschauen von einem Streamer gedacht, das viele Spiele von früher heute nur mehr als „Rage Games“ durchgehen würden. Also durch die verhunzte Sprungmechanik hat Castlevania von 1986 durchaus etwas mit Pogostuck von 2019 gemeinsam.

Aber ich finde es interessant, wenn du sagst, du brauchst den Eskapismus, um dich entspannen zu können. Vielleicht waren in den 1980er Jahren die Bedingungen noch nicht so harsch, wie sie heute sind. Oder das Spielen war einfach anders angesehen. Nicht so sehr als Entspannung und Weltflucht, sondern mehr als Herausforderung. Zur Entspannung war man dann spazieren, oder hat ein Buch gelesen. Jetzt kommt wieder was boomeriges: Zoomers lesen ja nicht mehr so viele Bücher. Ihr macht die Bucherfahrung aus zweiter Hand. Was ich sehr oft höre, ist, dass sich ein Roman so anhört, wie dieses oder jenes Vgame, oder dass es da einen Artikel auf dem blabla-blog gegeben hat, oder jemand auf dem V-log drüber geredet hat. „Werwölfe? Kenn ich von The Order 1886.“

Vielleicht braucht ihr ja diese Entspannung beim Spiel, weil ihr eh unentwegt in die digitale Röhre schaut und euch durch irgendein Zeugs durchklickt. Früher war ja das Konsolenspielen wirklich eine Abwechslung zur Arbeitswelt. Das ist heute nicht mehr so.

Was ist eigentlich bei The Order 1886 aus Sicht der Fans schief gelaufen?

Felix: The Order 1886 ist fehlgeschlagen, weil das Spiel zu kurz, zu unausgereift und in erster Linie zu groß angekündigt war. Mythologie verbreitet sich heute eher über Vgames als über Bücher, da geb ich dir Recht. Auch Filmklassiker verlieren gegenüber Vgames immer mehr an semantischer Bedeutung, bedenkt man, dass Kratos (einer der PS1- Posterboys, God of War) jetzt als Fortnite-Skin herhalten muss, oder dass Medusa eher als Boss in Assassin’s Creed Odyssey bekannt ist, statt der tragisch verfluchten Gestalt die sie in der klassischen griechischen Mythologie ist.

Was ich allerdings schon in diesem Kontext ansprechen muss, ist das sich Vgames, wohl auch durch das Internet, wesentlich weiterentwickelt haben. Online Gaming war ein zentraler Faktor für eine sich weiterentwickelnde Spiel- und Spielerszene.

Die Gamer heute schätzen kompetitives Spielen sehr. Spiele wie Counterstrike Global Offensive lassen einen recht schnell merken, dass die Zukunft der Vgames sich im anonymisierten Cyberspace abspielt. PuSsYdEsTr0yEr69 teabagt über deiner virtuellen Leiche, man wird an der K/D gemessen, also nein, ich glaube nicht, dass die Gen Z Spaß daran hat, hirnlos was anzuklicken, es steht immer eine gewisse Leistung dahinter.  Gamer machen alles mit viel System, die kennen die Abläufe genau. Sie spielen taktisch. Genauso wie du damals Castlevania als Spieler analysiert hast, genau die Sprungmechanik gekannt hast, gewusst hast, wo und woran man sich anhalten kann, genauso gut wissen Gamer über mehr oder weniger ähnliche Spielmechaniken Bescheid. Es gibt immer Experten und es gibt immer Noobs. 

Stefan: Das Nintendo Entertainment System ist in Europa 1986 auf den Markt gekommen und drei/ vier Jahre danach hab ich angefangen damit zu spielen. Übrigens gabs 1983 bereits den ersten Video Game Crash, also den Zusammenbruch der ersten Videospielindustrie. Atari und ein Haufen anderer Anbieter hat zusehends billigen Schrott herausgebracht und die Übertragung von den Arcade-Spielen auf die Heimstationen hat meistens auch nicht geklappt. Nintendo hat die aus dem Tief wieder rausgeholt.

2000 ist dann die Dotcom Blase geplatzt. Daran sind nicht so sehr die schlechten Videogames schuld gewesen, sondern die Wetten auf Gewinne und Verluste. Aber die New Economy, hauptsächlich webbasierte Dienstleistungen, war betroffen und darauf baut ja das neue System der Spielindustrie weitgehend auf. Watchpartys von Playthroughs, Livestreams usw. Die haben sich trotz dieses Rückschlags gut erholt. Kleinanleger sind halt massiv geschädigt worden dabei.

Felix: Webbasierte Dienstleistungen. Eine schon fast kryptisch klingende Bezeichnung für Medien, die heute jeder kennt und konsumiert. Youtube (YT) und Twitch sind wahrscheinlich auch außerhalb der Szene vielen Menschen bekannt. Ich hab den Eindruck man kann keine 2 Videos auf YT schauen, ohne dass einem eine Werbung für ein Videospiel, oder noch schlimmer, irgendeine Cashgrab-Smartphone-App angezeigt wird, selbst wenn man sich Videos ansieht, die mit Gaming gar nichts zu tun haben. Kannst du dich noch dran erinnern, wie grausliche D-Promis wie Pietro Lombardi „Coin Master“ beworben haben? Das war sowas von cringey und außerdem Promotion von Glücksspiel, das allerdings sehr kinderfreundlich verpackt war. Was das Ganze noch widerlicher macht.

Auf Twitch tummeln sich vermehrt Streamer, die Geld damit verdienen, dass ihnen Andere beim Spielen zuschauen. Man kann heute tatsächlich gut mit dem Voyeurismus anderer Menschen Geld verdienen, kommt mir vor. Ich denke da besonders an eine ganz besonders toxisch veranlagte Streamerin, die ihre Audience beleidigt hat, sie würden ihr nicht genug Geld spenden. Besagte Streamerin spielt keine Vgames, sie schaut auf Youtube mit aktiviertem Adblock Videos, die andere Leute gepostet haben und kommentiert die. Adblock bedeutet in dieser Situation, dass die ursprünglichen Contentkreatoren, die die Videos selbst aufnehmen, schneiden und hochladen, durch ihren Aufruf keinen einzigen Cent sehen, da sich die meisten Youtuber (YTer) über Werbungen finanzieren.

Einige Streamer verdienen sich auch etwas dazu, indem sie absolut absurde Nischenprodukte promoten. Alles unter der Prämisse, es sei für „richtige Gamer“. Eiweißshake für Gamer, dann muss man nicht mehr vom Rechner weg, weil man sich die 2000 Kalorien einfach flüssig einehaut, wer braucht feste Nahrung?

Oder auch ein Pulver, das sich mit Wasser zu einem Energydrink a la Red Bull vermengt. Gonna need those Reflexes for Counterstrike. Ich glaub fest dran, dass sowas zumindest potentiell gesundheitsschädlich ist. Und mir läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich dran denk, dass Gaming immer öfter ein jüngeres Publikum anspricht. Auch geil find ich Gaming-Socken. Einfach nochmal langsam drüber lesen. GAMING- SOCKEN.

Stefan: Es kann prinzipiell nicht gesund sein, so lange zu spielen, dass man Mahlzeiten auslassen muss. Andererseits findet auch niemand was dabei, wenn man 8 Stunden lang wegen der Arbeit vorm PC sitzt. Also da gibt es schon eine Schieflage in der Betrachtung, die was mit dem weitverbreiteten Arbeitsfetischismus in unserer Gesellschaft zu tun hat. Oscar Wilde kritisiert das auf wunderbare Art. Er bezeichnet Lohnarbeit als unwürdigen Zwang für andere zu leben. Die Frage die sich da stellt, ist, ob nicht diese vernetzte digitale Gaming-World neue Zwänge auftürmt? Viele Spiele haben ja kostenpflichtige Anteile oder machen bestimmte Erfolge davon abhängig, dass man das richtige Equipment hat für das man wochenlang grinden muss, oder für das man eben ein paar Euro ausgeben soll. Für die Euro muss man dann wieder einige Zeit arbeiten.

Felix: Die Pay-to-win- Mechanik, die du hier ansprichst ist für mich eine der Entwicklungen die Vgames in den letzten Jahren kaputt gemacht haben. Es kommen immer wieder Spiele heraus, in denen man als Spieler, der nicht bereit ist Geld auszugeben vor allem im Multiplayer keine Chance hat gegen Spieler die in die digitale Währung innerhalb eines Vgames investieren. Mikrotransaktionen sind mittlerweile fast überall angekommen, vom Triple A-Game bis hin (und ich glaub sogar vor allem) in mobile Games, also Spielen die am Smartphone gespielt werden. Eine gefährliche Entwicklung, sieht man sich zum Beispiel Spiele wie Fortnite an, die eine sehr junge Spielerbasis anziehen, die meistens abgesehen von ihrem Taschengeld null eigenes Einkommen haben. Aber ich glaube genau dieses Geschäftsmodell haben die Leute bei Epic Games, dem Entwickler Studio hinter Fortnite angestrebt, bzw sie haben bis dato absolut nichts unternommen, um diese Entwicklung zu unterbinden. Mamis Kreditkarte hält dann halt für die Vbucks her, dann kann man sich auch endlich den Skin leisten, mit dem man ausschaut wie ein Kratos aus God of War, einem FSK 18- Spiel das an Brutalität eventuell von Mortal Kombat, aber nicht vielen anderen Vgames überboten wird.

Was ich auch besonders geil finde, ist das Konzept der Season Passes. Entwickler bringen ein Spiel heraus, verkaufen es zum Vollpreis, und veröffentlichen nach dem Release, meistens ein paar Monate später einen Season Pass, der quasi als Erweiterung nochmal Geld kostet. Es ist wie damals das „Horse Armor Package“ in The Elder Scrolls 4- Oblivion eine absolut unverschämte Abzocke.

Stefan: Günther Anders schreibt mal irgendwo, die Mode sei der Trick der Industrie um die Nachfrage aufrecht zu erhalten. Aber dazu braucht es auch eine Bereitschaft mit der Mode mitzugehen. Woher wissen die Spieler denn was gerade Mode ist? Nintendo hatte bereits 1988 einen Podcast. Den „Nintendo Power“ ein News und Strategie Podcast, der aus dem Printmagazin hervorgegangen ist.

Gamingjournalismus hat sich auch ein wenig verändert. Früher war es ein Begleittext zu den Spielen, der von den Firmen selber gekommen ist. Die haben das als Forum benutzt, um Neuigkeiten anzukündigen und Tricks zu verraten wie man Gegner, die unschaffbar waren, fertig macht. Es war Corporate Business. Jetzt ist das demokratischer. Wobei, der „Journalismus“ der auf Youtube stattfindet, ist ja eher eine Form von freiwilliger Corporate Mentality. Man merkt sehr schnell, dass es bei vielen wenig um Inhalt und mehr um Klicks oder das Reviewer Package vom großen Produzenten geht.

Felix: Nicht nur um die Klicks. Mir kommt vor es ist mittlerweile Usus, dass man Gamer mit einer bestimmten medialen Reichweite, neue Spiele „testen“ lässt. Entwicklerstudios stellen die Spiele oft vor dem offiziellen Release YouTubern zur Verfügung, natürlich unter der Abmachung, sie dürfen über das Spiel nichts Negatives sagen.

Was mir hierfür als Beispiel einfällt, ist das Anfang Dezember 2020 erschienene Spiel Immortals- Fenyx Rising. Das von Ubisoft entwickelte Spiel ist der purste, unverschämteste Abklatsch von Nintendos Legend of Zelda – Breath of the Wild (BotW). Ich habe bei einem Yter, den ich regelmäßiger schaue, ein verfrühtes Gameplay von Immortals gesehen und er hat relativ beiläufig fallen gelassen, dass er es vor dem Aufnehmen des für seine Zuschauer gedachten Videos erst in einem „abgesicherten Rahmen“, in einer Spielsitzung im Beisein eines der Ubisoft-Entwickler gespielt hat. Lustigerweise hat er die absolut unbestreitbare Ähnlichkeit zu BotW nicht einmal erwähnt.

Irgendwie kotzt es mich an, dass Nintendo, ein sonst so protektives Entwicklerstudio, es zulässt, dass Content so schamlos abgekupfert wird. Ich erinnere mich an ein Pokemon Fanwork – Project, Pokemon Prism, das sich rein das Konzept von Pokemon abgekupfert hat, oder viel mehr hätte. Alle Sprites, alle Charaktere und alle Pokemon waren vom Entwicklerteam komplett selbst designt und auch die Möglichkeit selbst als Pokemon zu spielen, waren absolut original und neu. Über acht Jahre hat das Entwicklerteam reingesteckt. Noch während des Entstehungsprozesses kam eine Beschwerde von Nintendo und das Projekt erschien nie.

Wenn jetzt Ubisoft daherkommt und abkupfert ist es anscheinend ok.

Stefan: Das Maskottchen der Nintendo-Welt ist ja Super Mario. Da gab es sogar mal einen Film mit Bob Hoskins. Großartiger Trash von Ed Solomon, der später Men in Black gemacht hat. Sega hat Sonic the Hedgehog. Auch wenn ich sagen muss den habe ich viel weniger verstanden. Mario und Luigi und das Märchenland in den Abwasserkanälen kann ich verstehen. Ich bin mit Spielzeug von Mattel und Hasbro und MB und solchen Produzenten aufgewachsen. Die haben in den 80er und 90ern einfach alles rausgebracht, was man aus Plastik und schlechtem Geschmack herstellen kann, was Kinderherzen höherschlagen lässt. Masters of the Universe, Turtles, Dino Riders, Hero Quest. Unglaublicher wundervoller, zauberhafter Trash.

Die Zeichentrickserien, die es dazu gab, waren als Werbung für die Figuren gedacht. Also nicht wie beim Star Wars Universe, oder den meisten heutigen Franchise Produktionen, wo zuerst ein Film da ist und dann unendliches Merchandise, sondern anders herum. Die hatten Gussformen für seltsame Mutanten und haben sich überlegt, wie sie die an die Kinder kriegen. Und haben dann Serien und Comics gemacht, drum herum.

Bei Masters gab es später ja sogar einen Film mit Dolph Lundgren als He-Man. Dass es eine Kinderserie gibt deren Hauptcharakter auf Deutsch „Er-Mann“ heißen darf, finde ich an sich schon faszinierend. Das ist auch deshalb, weil der He-Man ja eine durch Magie erzeugte Figur ist. Der Typ, der zu He-Man wird, mit der Macht von Greyskull, ist der Prinz Adam, der eher ein Hasenfuß ist und immer in einem rosafarbenen Jogginganzug herumläuft. Ich habe ihn geliebt als Kind. Ich wollte immer eine Adam Figur haben. Meine Mutter war aber völlig gegen die Masters. Was ich heute total verstehe. Aber meine Oma hat mir dann heimlich die grauslichsten Masters gekauft, wenn ich bei ihr zu Besuch war übers Wochenende. Ich sag nur Snake Face.

Das Highlight in dem Film ist Frank Langella als Superbösewicht Skeletor. Er spielt den Erzfeind von He-Man fast so übertrieben wie später Jeremy Irons in dem Dungeons and Dragons Film den Nekromanten Profion. Nur wo Irons Charakter total auf Wahnsinn setzt, ist Langella mit viel Würde und Pathos am Werk. Er hasst He-Man richtig. Das spürt man. Es ist toll.

Lustigerweise sind die epigonalen Charaktere der aktuellen PC Welt keine Erfindungen der Konzerne mehr, sondern literarische Figuren. Also bereits vorhandene Charaktere. Angefangen beim berühmten Geralt von Riva, dem Witcher, bis zu den ganzen endlosen Star Wars Epigonen und sonstigen Franchise-Vermarktungen aktueller Spiele.

Felix: Ich muss jetzt ehrlich gestehen, ich hätte vorgehabt mir im Rahmen der Recherche für diesen Text den neuen Sonic the Hedgehog Film anzuschaun, aber der war mir schon nach dem Teaser auf Netflix zu blöd.

Ich glaub schon, dass es auch heute noch genug Franchises gibt, die zuerst auf die Produktion des Produktes und dann auf die Vermarktung setzten, denk mal an die ganzen neuen Lego-Sets die rauskommen, Ninjago und ähnlicher Schmarrn. Aber ich sehe auch, dass heute immer noch 80er Erscheinungen, höchstwahrscheinlich wegen ihres Kultcharakters finanziell bis zum Letzten ausgeschlachtet werden. Star Wars Figuren und Pokemon Karten erfreuen sich bei Volksschülern auch heute noch allergrößter Beliebtheit. Vielleicht liegt es dran, dass es sehr schwer ist, etwas wirklich Neues zu etablieren, da schon so ein großes Angebot da ist. Ein Negativbeispiel dafür ist Minecraft. Das schlug ein wie eine Bombe, ist auch zugegebenerweise ein cooles, erfrischendes Spielkonzept gewesen. Alle coolen Kids hatten auf einmal Minecraft-T-Shirts, -Plüschtiere, -Lego und fast alles erdenkliche andere.

Und Gerald von Riva verdankt seinem Ruhm in erster Linie dem damals noch hoch angesehen Entwicklerstudio CD Project Red, weniger den Romanen, die eigentlich kein Schwein gekannt hat vorm 3. Teil der Spielreihe. Ich glaube, dass sich die Burschen und Mädels bei Project Red mit dem absoluten Flop von Cyberpunk so dermaßen ins Knie geschossen haben, dass wir keinen 4. Witcher-Teil mehr sehen werden.

Stefan: Das Genre der Spielentwicklung nimmt ja Formen an wie der Film. Die Spieleproduktion nähert sich dem Filmemachen an. Interessanterweise zu einem Zeitpunkt, in dem das klassische Kino sich anschickt unterzugehen. Die erfolgreichsten Filme laufen zurzeit in China, wie zb. der Film The 800 von Guan Hu. Die großen Hollywood Produktionen finden pandemiebedingt nicht statt, oder floppen so wie Tenet von Christopher Nolan.

Wobei Nolans Film so ein abstraktes Ungetüm ist, dass trotz der Ambitionen wenig politisch und dafür sehr metaphysisch daherkommt. Während Guan Hu ein berührender Film gelungen ist, in dem er den Kampf der Kuomintang gegen japanische Invasoren in Shanghai darstellt. Und dass, trotz chinesischer Zensur.

Jedenfalls gibt es diese Hinwendung zum Auteur Produzenten wie im Film auch im Spielebereich. Aber eh schon länger. Ich denk jetzt an Final Fantasy von Hironobu Sakaguchi. Da ist dieses Element schon vorhanden.

Aber richtig geknallt hat es erst bei Death Stranding von Hideo Kojima. Bei Final Fantasy steht ja noch der epische Konflikt von Gut und Böse im Vordergrund und man kann mit Training und guter Ausrüstung dem Bösen, von dem man recht bald Bescheid weiß, tapfer entgegentreten und es besiegen. Die Welt retten.

Bei Death Stranding ist die Welt eigentlich nicht mehr zu retten. Es sind nur mehr Pakete auszuliefern. Und irgendwie erinnert das an die aktuelle Pandemie. Wo alles von Zustelldiensten übernommen wird. Alles wird geschickt und die Kommunikation ist nur mehr digital. Wer weiß, ob die Menschen überhaupt noch alle da sind. Vielleicht sind manche nur mehr Signaturen?

Felix: Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen, ich hab die ersten 2 Spielstunden von Death Stranding tatsächlich hinter mir. Es spielt sich wie ein Fiebertraum. Norman Reedus liefert in einer postapokalyptischen Welt Pakete aus, wobei er einen durch Technologie am Leben gehaltenen Fötus in einer Art Mechanischem Kängurubeutel mit sich herumschleppt, trinkt ausschließlich Monster Energy, uriniert auf schemenhafte Wesen, um sie zum verschwinden zu bringen, vorausgesetzt er duscht nicht gerade, oder funktioniert seinen scheinbar sehr wirksamen Urin zu Granaten um.

Mich hat selten etwas mit so vielen Fragezeichen stehen gelassen, aber ich muss sagen nach verfassen dieses Absatzes, wäre ich doch an einer Aufklärung sehr interessiert, glaub ich hol das demnächst mal wieder aus dem Regal.

Der Film-Vgame Vergleich erinnert mich auch noch an ein anderes Spiel, das ich erst vor kurzem angespielt hab. Rockstar Games Red Dead Redemption 2, das hab ich aber nach gefühlt 4 Stunden dann auch wieder aufgehört, weil es sich einfach anfühlt wie ein Film. Es werden einem am Anfang keine Auswahlmöglichkeiten gelassen, es ist ein spielbarer Film. Fair enough, nach 6 Stunden kann man dann wahrscheinlich schon die Welt erkunden, aber bis dahin ist es ur zach. Mich schreckt sowas ab. Sorry, an alle Red-Dead-2 Liebhaber da draußen, ich glaube euch gerne, dass es ein tolles Spiel ist, aber mich nervt schon das Skyrim-Einstiegsszenario und da ist man nach 45 Minuten durch, da hab ich auf ein Spiel, bei dem ich nach 4 Stunden das erste Mal eine Entscheidung treffe, absolut keinen Bock.

Stefan: Das finde ich interessant, weil davon sind wir ja am Anfang losgegangen: Das einige Spiele heute sehr wenig Raum zum „Spielen“ lassen, sondern die Spieler an der Hand nehmen und betreuen. Bei Johann Huizinga gibt’s den Gedanken, dass der Mensch im Spiel Kultur erzeugt. Manche Philosophen fürchten die zunehmende Medienabhängigkeit des Menschen, andere finden die Fähigkeit des Menschen Zeit im Internet zu verschwenden ganz wunderbar. Vielleicht hängt es ja davon ab, was man mit der verschwendeten Zeit macht?

Wir könnten ja weiter darüber reden und dazu anregen die Zeit im Internet damit zu verschwenden aktiv drüber nachzudenken was man da tut.

… to be continued …

Art by Timon Tiefling!

2 Kommentare zu „Unter Gamerinnen: Zum aktuellen Stand des Immergleichen Teil 1“

  1. Stark. Gefällt mir richtig super. Ein mega Einblick in die Themen, welche gerade diskutiert werden bzw die man beobachten kann. Dazu noch der gesellschaftliche Aspekt. In Teilen.

    Ich freue mich auf den nächsten Teil. 😊

    Beste Grüße

    JCarax

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