Es kochert unter der Oberfläche

Die Europäische Zentralbank vermeldet, dass europäische Unternehmen in den letzten Monaten ihre Umsätze deutlich steigern konnten, was u. a. damit zu tun hat, dass sie ihre Preise ebenso deutlich angehoben haben – ohne dass dies zur Kostendeckung nötig gewesen wäre. Im österreichischen Handel führte diese Praxis zuletzt dazu, dass es sich für einen Einkauf um zwanzig Euro nicht einmal mehr lohnt, sich einen Einkaufswagen zu nehmen – die drei Sachen kann man auch im Handtascherl unterbringen.

Arbeitspropagandaminister Kocher sieht Entwicklungen wie diese weniger kritisch. Gegenüber dem Standard verkündet er, es sei „in der Marktwirtschaft schwierig“ „(g)enerell von ungerechtfertigten Preiserhöhungen zu sprechen“, denn „(w)enn jemand die teuer gewordenen Produkte kauft, gibt es die Nachfrage dafür.“ Also kurz gesagt: Dass die Leute überraschend nicht verhungern wollen und stattdessen weiterhin Lebensmittel kaufen, obwohl diese drastisch teurer werden, rechtfertigt schon die Preissteigerungen. Hieß es früher noch die Nachfrage bestimme das Angebot, ist das neue Motto, die Nachfrage sanktioniert die Preiserhöhung. Dem Wahlvolk kann man nur raten, doch einfach keine Lebensmittel mehr zu konsumieren, um Preissteigerungen (potenziell) rückgängig zu machen.

In Kochermanier – man erinnere an seine Idee, Sozialleistungen für Teilzeitangestellte zu kürzen, bis er sich später entsann, dass besonders Frauen in Teilzeit beschäftigt sind – schiebt er dann aber noch schnell nach, es müsse „sichergestellt werden (…), dass Menschen“ sich „insbesondere Grundnahrungsmittel“ „auch leisten können“. Man könne vielleicht sogar „mit den Handelsketten (…) sprechen“ und einmal nachfragen, ob es „nachvollziehbare Gründe“ gäbe. Einen Handlungsauftrag für den Handel kann sich Kocher – bei aller Fantasie – aber nicht vorstellen. Die Regierung habe sich zum Ziel gesetzt „die Kaufkraft“ „so gut wie möglich“ zu „erhalten“, „besonders im unteren Einkommensbereich“. Für den Gedanken an Lohnerhöhungen fehlt es Kocher – trotz Inflation – schließlich ganz an Einfallsreichtum.

Auf Nachfrage gelingt es ihm zumindest noch die Lohnfrage auf das Individuum abzuwiegeln: Dass die Teuerung sicher auch eine Rolle bei „Lohnforderungen“ spiele, sei abzusehen. Die politischen Möglichkeiten der Einflussnahme sieht er dagegen gering gesät. Die Politik solle vor allem „dämpfend (…) handeln“.

Das Wirtschaftsministerium hat zudem derzeit Wichtigeres zu tun, als sich mit steigenden Lebenserhaltungskosten für Bürgerinnen zu befassen: Es arbeitet am gefühlt zwanzigsten Energiekostenzuschuss für Unternehmen. Dass bisher immer wieder Zuschüsse an Unternehmen ausgezahlt wurden, die diese nicht gebraucht hätten, stellt für Kocher kein Problem dar: „Die relevante Frage für mich ist nicht, dass man im Nachhinein feststellt, dass es ein paar Firmen gegeben hat, die den Zuschuss vielleicht nicht gebraucht hätten.“ Es handle sich vielmehr um eine „Zusicherung (…) im Falle eines Preisanstiegs“. Eine solche Zusicherung gedenkt man im Falle der steigenden Lebensmittelpreise den Bürgerinnen lieber nicht zu machen.

Doch bleibt immer noch ein kleiner Lichtblick für uns Nichtunternehmen: Den neuen Energiekostenzuschuss können nun auch der österreichische Handel und Supermarktketten beantragen und damit in Zukunft ihren Profit noch weiter steigern. Handel gut, alles gut!