Das Rote Schaudern

Wer am 28. Mai 2023 einen Blick in die unabhängigste Zeitung Österreichs geworfen hat, wird vielleicht in der Rubrik Leserbriefe über die Meinung der neuen alten Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gestolpert sein, die dort unter dem Titel „Gegen die Extreme“ vor allem gegen das eine Extrem anschreibt, ironischerweise jenes, das in der österreichischen Politik bisher am wenigsten Schaden angerichtet hat: den Kommunismus, in der Gestalt der KPÖ.

Zwar beginnt sie ihren Appell mit der Erinnerung an die „große und lange Geschichte“ Österreichs, und da muss pflichtbewusst natürlich auch an das „Schreckensregime des Nationalsozialismus“ erinnert werden. Der diesem vorangegangene austrofaschistische Ständestaat fällt Mikl-Leitner aber dann schon nicht mehr ein, obwohl sie selbst ihre politische Heimat in der Nachfolgepartei der Austrofaschisten gefunden hat. Mikl-Leitner ist die Ziehtochter des ehemaligen niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll, der Engelbert Dollfuß als „mutige(n) Patriot im verzweifelten Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus“ bezeichnete. Welche Rolle im Widerstand die KPÖ wohl gespielt hat, die leider 1933 von Dollfuß verboten wurde? Man kann es nur vermuten, aber selbst das tut Mikl-Leitner nicht.

Schaudernd stellt sie fest, „dass die Ideen des Marximus, die zu den Verbrechen des Kommunismus geführt haben, bei vielen offenbar kein Schaudern mehr auslösen.“ Das begründet sie mit den „selbstzersetzenden Kräfte(n) der Sozialdemokratie“ – lese ich da ein wenig Bedauern darüber heraus, dass man auf diese Sozialdemokratie angewiesen ist? –  die die KPÖ „für viele inzwischen zur charmanten linken Alternative“ mache. Über die rechte „Alternative“ macht sich Mikl-Leitner weniger Sorgen, obwohl diese für die österreichische Geschichte eine weit fatalere Rolle gespielt hat. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass seit 23. März 2023 der niederösterreichische Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer heißt und man mit der Kritik an der KPÖ von den Extremen in den eigenen Reihen ablenken will. Die zur Schau gestellte obligatorische Distanzierung vom Nationalsozialismus ist inzwischen selbst zum leeren Ritual verkommen, um über gegenwärtige rechte Problematiken nicht reden zu müssen vergleichbar mit einer Art #NoHomo für NS-Relativierer, das, am Ende des Satzes verwendet, das Ziel hat zu unterstreichen, dass die Aussage oder Handlung des Sprechers keine absichtlichen rechtsextremen Implikationen hatte.

Udo Landbauer ist Parteiobmann der niederösterreichischen FPÖ, der Nachfolgepartei des VdU (Verband der Unabhängigen), 1949 als Vertretung für ehemalige NSDAP-Mitglieder begründet. Udo Landbauer warb einst um Spenden für die rechtsextremen „Jungen Patrioten“ und ihr Liederbuch in dem sich neben „Volks- und Soldatenliedern“ auch nationalsozialistische Weihnachtslieder und BDM-Lieder fanden. Landbauer war zudem Mitglied in der schlagenden deutschnationalen und rechtsextremen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, großteils ebenso bestehend aus Liebhabern qualitativ hochwertigen Liedgutes wie dem medial bekannt gewordenen antisemitischen Lied, in dem es heißt: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“ 2018 noch hatte Neubauer Mikl-Leitner als „Moslem-Mama“ bezeichnet und ihr die „Zwangsislamisierung“ Niederösterreichs vorgeworfen.

Man möchte Mikl-Leitner eingehend darum bitten sich doch die eigenen Worte zu Herzen zu nehmen: „Die Funktionäre der [ÖVP und FPÖ] sind ja keine naiven kleinen Kinder. Sie setzen ganz bewusst darauf, mit Regimen wie [dem Dritten Reich und dem Faschistischen Regime in Italien] in Verbindung gebracht zu werden, und verharmlosen damit die Verbrechen der [Nationalsozialisten und Austrofaschisten]. Das ist entweder geschichtsvergessen oder niederträchtig – aber auf jeden Fall: verantwortungslos.“