Despacito!

Seit nunmehr fast einem Jahr ist das neuartige Corona-Virus, Covid-19, in aller Munde. Die mediale Berichterstattung ist bis heute nahezu gesättigt mit diesem Thema. So lange hat sich nicht einmal Despacito in den Billboard-Charts auf dem ersten Platz gehalten. Periodisch schafft es ein Terroranschlag kurzzeitig die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen. Enthauptungen haben Konjunktur und die Menschen schon immer fasziniert. Dagegen stinkt Organversagen als Todesursache ab.

Seit Corona sich unser aller Seelen und Herzen bemächtigt hat, können wir die Effizienz der Bürokratie, einer Kunst, die in Österreich sowohl geliebt wie auch gefürchtet wird, wieder leibhaftig bewundern. Die Maßnahmen sind stets klar und verständlich formuliert. Wenn dies nicht der Fall ist, so liegt es jedenfalls nicht an der Regierung. Später stellen sich einige als rechtlich nicht haltbar heraus, aber das macht nichts, wenn die Regierung sich im Nachhinein geschlossen einigt, diese hätten so sowieso nie gegolten. Anzeigen für Übertretungen hat die Polizei, die selbst ihre Kompetenzen nur erahnen konnte, im ersten Lockdown präventiv und affirmativ ausgestellt. Die Österreicherinnen haben sie ebenso präventiv nicht bezahlt und bekamen in den meisten Fällen Recht.

Bereits vor dem ersten Lockdown war die Kommunikationsstrategie der Regierung offensiv vage. Man setzte auf die Mitarbeit der Eltern bei der Betreuung der Kinder, die Schulen blieben zwar geschlossen, waren aber auch geöffnet, für jene die keine anderen Betreuungsmöglichkeiten hatten. Man appellierte an die Eltern ihre Kinder besser nicht in die Schule zu schicken, schuf aber kaum Möglichkeiten für diese, die es ihnen erlaubt hätten ohne gröbere Verluste – auf dem Spiel standen Gehalt sowie Jobs an sich – den Lockdown zu überstehen. Zudem ließ man verlautbaren, die Großeltern, die ansonsten die Kinderbetreuung übernehmen hätten können, gehörten nunmehr zur Risikogruppe, daher solle man die Kinder von diesen fernhalten.

Der Sommer war ein lauer, Corona verwandelte sich in Corönchen, das Virus sollte schließlich nicht die Tourismusbranche zu stark beeinträchtigen. Man hielt die Bürgerinnen aber an, dennoch Urlaub in Österreich zu machen, denn man hatte sich kein geringeres Ziel gesetzt als der Sommerfrische zu altem Glanz zu verhelfen. Die langsame Normalisierung (Despacito!) der Situation nutzte auch WKÖ-Chef Harald Mahrer für ein sympathisches Fotoshooting im Falstaff-Magazin, wo er frisch geföhnt und grinsend, eine Magnumflasche Wein in die Kamera hielt und die Österreicher bat sich einen Ruck zu geben und endlich wieder zu genießen. Erst gegen Ende der Saison erklärten die Regierungen Europas gegenseitig ihre Länder zu Risikogebieten. Für Österreich schien Kroatien besonders gefährlich, obwohl die Fallzahlen bei Weitem unter jenen in Österreich lagen. Ein besonders kompetentes Regierungsmitglied verkündete das Virus komme mit dem Auto über die Grenze. Dies führte dazu, dass am Wochenende vom 23. August 2020 für 15 Stunden gar niemand über die slowenische Grenze nach Österreich kam, weil viele Durchreisende die für Österreich benötigten, ausgefüllten und ausgedruckten, Formulare nicht vorweisen konnten.

Seit ungefähr einer Woche befinden wir uns nun wieder in einem Lockdown-Light, dessen Verkündung am 30. Oktober 2020 angekündigt und am 31. Oktober 2020 vollstreckt wurde, der am 4. November 2020 in Kraft trat. Nun kündigt sich ein zweiter harter Lockdown an, der, so munkelt man, am 14. November 2020 verkündet werden soll, damit er rechtzeitig vor dem Wochenende beschlossen ist und die Frage der Kinderbetreuung für arbeitende Eltern sich für die nächste Woche nicht zu einfach gestaltet.

Urlaubstage stehen den Wenigsten noch zur Verfügung. Da bleibt nur noch die Umstellung auf Home Office. Als Elternteil erhoffe ich mir, dass die glückliche Vermählung des Arbeitsministeriums mit dem Familienministerium weiter so erfolgreiche Früchte trägt, wie bisher. Allein diese Zusammenlegung, die es vor 2020 nie in der Geschichte der österreichischen Republik gab, wäre eine psychoanalytische Studie wert.

Die erste Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend der zweiten Republik beweist mit ihrer jüngst veröffentlichten „Checkliste“ über die „Ergonomische Gestaltung von Telearbeitsplätzen“, dass sie schon jetzt ihre fünfstellige Politikerinnenpension wert ist. Das „Ziel einer jeden Arbeitnehmerin und eines jeden Arbeitnehmers“ solle sein „den eigenen Arbeitsbereich so ergonomisch wie möglich zu gestalten“. Der Raum solle dabei „über 8,0 m2  groß sein und die Raumhöhe mindesten 2,5m aufweisen“. Der Arbeitsplatz solle zudem nicht über „Leitern“ erreichbar sein. Der Arbeitsraum solle „mindestens ein Fenster mit Sicht nach außen haben, damit man ins Freie schauen und auch ausreichend Tageslicht in den Raum gelangen“ könne. „Der Geräuschpegel“ im Raum solle zudem „so leise sein, dass die Konzentration nicht gestört wird“. Vier von fünf der hier genannten Punkte treffen auf meinen tatsächlichen Arbeitsplatz nicht zu. Ich nehme aber gerne, zumindest fürs Home Office, Spenden der Regierung entgegen, um mir einen Zubau für einen ergonomischen Telearbeitsplatz leisten zu können. Um den Geräuschpegel leise zu halten, sperre ich meine Kinder vorsorglich, der Tradition entsprechend, in den Keller.